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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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begeistert. Ich z ö gerte, immer noch peinlich ber ü hrt und verwirrt ü ber meinen dummen Fehler. Ich sah Jess an, die klatschte, mich angrinste, die Augen verdrehte und den Kopf sch ü ttelte. Ich grinste zur ü ck, dann lachte ich laut ü ber meine Dummheit. Und klatschte dann so fest, dass mir die H ä nde weh taten.
    Miss Georgia gab noch ein paar andere Nummern zum Besten, von einer h ü fteschwingenden, fu ß estampfenden Version von » R-E-S-P-E-C-T « bis hin zu einem bet ö rend traurigen Blues. » She cries alone at night too often «, sang sie. » He smokes and drinks and don’t come home at all/Only women bleed/Only women bleed/Only women bleed.« Irgendwie schien diesen Worten eine neue Sch ä rfe innezuwohnen, wenn sie von einem jungen Schwarzen gesungen wurden, der sich, aus welchen Gr ü nden auch immer, als Frau sah. Innerlich zumindest blutete er bestimmt auch.
    Ich konnte immer noch nicht behaupten, ich verst ü nde, warum ein Mann Frauenkleider tragen wollte. Doch ich erfasste jetzt zumindest teilweise intuitiv, welcher Schmerz mit so einem drastischen Schritt verbunden war. Meine Verwirrung wurde ü berlagert von Mitleid. Und ich konnte, zumindest in Miss Georgias Fall, das umwerfende Ergebnis w ü rdigen, das mit einer gertenschlanken Gestalt, einem Gesp ü r f ü r Mode und einer ü berdimensionalen Pers ö nlichkeit zu erreichen war.
    Am Ende der Auff ü hrung ging der Scheinwerfer aus, und die Lichter in der Bar flackerten wieder auf, allerdings nicht alle. Die hundert verschiedenen Gespr ä che um uns herum wurden ebenfalls weitergef ü hrt, wenn auch der Ger ä uschpegel jetzt generell etwas ged ä mpfter war als zuvor. Das Lied und der S ä nger schienen die Stimmung in der ganzen Bar weicher gemacht zu haben.
    » Ich gehe mal auf die andere Seite r ü ber «, sagte Jess. »Falls du eine Minute lang noch an etwas anderes denken kannst als an Miss Georgia, wie w ä re es dann, wenn du mit den Leuten an der Bar reden w ü rdest? « Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sie sich in die Menschenmenge und begann an einem Tisch in der hinteren Ecke.
    Ich ging von Gast zu Gast. Ich heimste viele seltsame Blicke ein, ein paar anz ü gliche Antr ä ge und einen Kniff in den Po, dem rasch ein l ü sterner Antrag folgte. Danach brauchte ich einen Augenblick, um mich zu sammeln, und sah zum anderen Ende des Raums hin ü ber. Jess war in ein angeregtes Gespr ä ch mit niemand anderem als Miss Georgia vertieft. Jess zeigt auf Miss Georgias Busen und dann auf ihren eigenen und sch ü ttelte lachend den Kopf. Dann hob sie die H ä nde und legte sie, wie ich staunend beobachtete, um Miss Georgias Br ü ste, dr ü ckte sie absch ä tzend und nickte bewundernd. Einen Augenblick sp ä ter war Miss Georgia dran, Jess’ Br ü ste zu dr ü cken, um sich anschlie ß end theatralisch Luft zuzuf ä cheln.
    Ich wusste nicht, ob ich mich dar ü ber am ü sieren oder eifers ü chtig sein sollte. Wenn ich ehrlich war, traf beides zu.
    Ich schaute auf die Uhr. Es war zwei Uhr – gut drei Stunden ü ber meine normale Schlafenszeit hinaus. Pl ö tzlich kam es mir sehr viel sp ä ter vor. Pl ö tzlich hatte ich das Gef ü hl, f ü r mich sei es viel zu sp ä t.

14
    Das Büro des Medical Examiners von Chattanooga lag in einem kleinen Geb ä ude am Amnicola Highway, mehrere Kilometer nord ö stlich der Innenstadt. Anders als das regionale rechtsmedizinische Institut in Knoxville, das in der Universit ä tsklinik der University of Tennessee untergebracht war, war Jess Carters Büro eine unabhängige Einrichtung in einem unscheinbaren, mit einem diskreten Schild versehenen Quader aus Beton und Glas, der alles h ä tte beherbergen k ö nnen, von einem Farbengesch ä ft bis hin zu einer Computerfirma. Auch die Lage kam mir immer seltsam vor; zwar waren unmittelbare Nachbarn die Polizei und ein Trainingsgel ä nde der Feuerwehr, was durchaus eine gewisse Logik besa ß . Die anderen Gewerbe in der N ä he waren jedoch sehr viel wahlloser, etwa ein Getreidesilo, eine Chemiefabrik, eine Bauholzfirma, ein Fernsehsender und eine Spedition. Andererseits, dachte ich, als ich auf den kleinen Parkplatz fuhr, behandelte der Tod alle gleich, ohne Ansehen der Person oder des Berufs; in dem Lichte betrachtet, war die Lage des Leichenschauhauses im Industriegebiet genauso sinnig oder unsinnig wie jede andere auch.
    Sowohl was Quadratmeter anging als auch personalm äß ig war Jess’ B ü ro nur halb so gro ß wie unseres in Knoxville,

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