Bis auf die Knochen
da eben genau das Falsche gesagt hatte. Sie fing an, sich gegen mich zu wehren, legte mir die H ä nde – samt schmutziger Handschuhe und allem – auf die Brust und schob mich weg. » Stopp «, sagte sie scharf. » Nicht hier. Ich kann hier nicht so mit dir zusammen sein.«
Die Worte taten weh, aber vielleicht war es auch eher ihre k ö rperliche Reaktion, die weh tat. Wie auch immer, mein Gesicht brannte vor Entt ä uschung und Dem ü tigung. »Verdammt, Jess, wo denn dann? Nicht bei mir zu Hause – das war auch nicht der richtige Ort? Alan Gold’s? Da hatte ein anderer die H ä nde auf dir. Bei dir zu Hause? Dahin hast du mich noch nicht eingeladen. Wo f ü hrt das hin? Ich bin durcheinander und entt ä uscht. Ich habe nicht damit angefangen; du hast angefangen. Falls ich die Selbsteinladung zum Abendessen letzte Woche nicht vollkommen falsch verstanden habe.«
Jetzt war sie dran, rot zu werden. » Jetzt im Augenblick arbeite ich «, sagte sie. » W ü rdest du das mitten in einer Vorlesung wollen? « Sie wandte den Blick ab und nagte an ihrer Unterlippe. » Du hast mich nicht falsch verstanden. Ich bin auch durcheinander. Als ich dich letzte Woche gesehen habe, habe ich gedacht, du w ä rst endlich ü ber Kathleens Tod hinweg und bereit f ü r eine neue Beziehung. Wor ü ber ich leider nicht nachgedacht habe, war, ob ich bereit bin.«
» Deine Scheidung? Wie lange ist die her? «
» Ungef ä hr sechs Monate. Nein, acht. Aber es ging schon zwei Jahre abw ä rts mit uns. Zum Teufel, ich war auch kurz davor, mich zu verabschieden. Wie kann es dann so weh tun, dass er mir zuvorgekommen ist? « Ich sah Tr ä nen aufsteigen, etwas, was ich in den Augen von Jess Carter nie zu sehen erwartet h ä tte. Ich wollte sie wegwischen, doch sie machte einen Schritt r ü ckw ä rts und hielt warnend einen Finger hoch. Dann hob sie die Arme, einen nach dem anderen, und wischte sich mit den Ä rmeln ihrer Handschuhe die Augen ab. » Es tut mir leid, Bill «, sagte sie. » Es ist viel schwerer, als ich dachte, und ich bin zu m ü de und zu fix und fertig, um klug damit umzugehen.« Sie betrachtete die blutigen Streifen, die ihre Handschuhe auf meiner Brust hinterlassen hatten. » Das mit dem Hemd tut mir auch leid «, sagte sie. » Geh, zieh dir einen Kittel an; ich bitte Amy, es kurz durchzuwaschen, w ä hrend wir uns mit diesem forensischen Fall befassen.«
Bis ich mich umgezogen hatte, mein zusammengerolltes Hemd Amy gegeben hatte und in den Sektionssaal zur ü ckgekehrt war, hatte Jess die Leiche der an Krebs gestorbenen Frau zur ü ck in den K ü hlraum geschoben und die Fahrtrage herausgeholt, auf der unser m ä nnliches Mordopfer lag. Als die Leiche vor acht Tagen hereingekommen war, hatte sie R ö ntgenaufnahmen gemacht und sie obduziert; ich ging davon aus, dass ich heute nicht mehr entdecken w ü rde, als sie bereits festgestellt hatte, doch ich war willens, es zu versuchen.
Die Fotos vom Tatort waren der Gewalt, die diesem ü bel zugerichteten K ö rper zugef ü gt worden war, nicht gerecht geworden. Auf den Sch ä del – auf den Fotos von der blonden Per ü cke weitestgehend verdeckt – war mit gro ß er Wucht eingeschlagen worden, und zwar mehr als einmal. Knochensplitter waren tief ins Gehirn eingedrungen; Hirnsubstanz war herausgesickert wie aus einem aufgeschlagenen K ü rbis. Die Jochb ö gen waren beide gebrochen, ebenso wie das Nasenbein und der ä u ß ere Rand der linken Augenh ö hle. Auf den R ö ntgenbildern, die Jess an einen R ö ntgenbildbetrachter geh ä ngt hatte, konnte ich sehen, dass auch mehrere Rippen gebrochen waren.
Ich schaute von der Leiche auf der Fahrtrage zu den R ö ntgenbildern des Sch ä dels und wandte mich dann Jess zu. » Dann ist er an den Kopfverletzungen gestorben? «
» Ausgezeichnete Schlussfolgerung, Sherlock «, sagte sie. »Schweres Hirntrauma und akutes subdurales H ä matom. Ich hoffe, du kannst uns einen Hinweis auf die Mordwaffe geben.«
» Ich tue mein Bestes «, sagte ich, » obwohl es bei stumpfer Gewalt wirklich schwierig ist. Der Abdruck eines Baseballschl ä gers ist von dem Abdruck eines verzinkten Rohrs kaum zu unterscheiden. Wenn wir Gl ü ck haben, war es etwas wie ein Hammer, der einen h ü bschen runden oder sogar einen achteckigen Abdruck hinterl ä sst, falls der Hammer diese Form hat – eine Wunde mit einer charakteristischen Signatur. Doch nach dem zu urteilen, was ich bisher sehen kann «, sagte ich, beugte mich vor und nahm Gesicht und Sch ä
Weitere Kostenlose Bücher