Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
del n ä her in Augenschein, » haben wir so viel Gl ü ck wohl nicht.« Nach der seltsamen Spannung von vorhin waren wir beide erleichtert, uns in die L ö sung eines so schwierigen Falls vertiefen zu k ö nnen.
    Zuerst f ü hrte ich eine visuelle Untersuchung der Leiche durch. Abgesehen von dem eingeschlagenen Sch ä del – den man oben aufgeschnitten und dem man das Gehirn entnommen hatte – war das Auff ä lligste die unterschiedlich stark vorangeschrittene Verwesung: der gro ß e Unterschied zwischen den nackten Knochen der Unterschenkel und dem an den anderen K ö rperteilen noch weitestgehend intakten Weichgewebe. An Augen, Nasenh ö hle, Schultern und Halsansatz – Regionen, die an dem aufrecht gefesselten K ö rper die einzigen horizontalen Oberfl ä chen boten – hatten die Insekten m äß igen Schaden angerichtet; ansonsten waren sie bei dem Versuch, sich an der ihnen servierten Leiche g ü tlich zu tun, ü berwiegend gescheitert.
    Ich rollte die Leiche auf den Bauch. Der R ü cken wies unz ä hlige Kratzer auf, und in der Haut steckten Rindenst ü ckchen der Kiefer, doch all das sah nur nach oberfl ä chlichen Absch ü rfungen aus, wie man sie am R ü cken einer Leiche erwarten w ü rde, die an einen Baum gefesselt war.
    » Ich sehe hier und auf den R ö ntgenbildern nichts, was darauf hinweist, dass au ß er stumpfer Gewalt noch etwas anderes zum Tod des Mannes gef ü hrt haben k ö nnte «, sagte ich.
    » Glaubst du, du kannst bestimmen, womit auf ihn eingeschlagen wurde? «
    » Schwer zu sagen, bevor ich das Weichgewebe entfernt habe «, sagte ich. » Bist du fertig mit ihm? « Sie nickte. » Wenn du einverstanden bist, w ü rde ich gerne den Kopf abtrennen, mit nach Knoxville nehmen und ihn mazerieren, um mir die Knochen genauer anschauen zu k ö nnen.«
    » Ich hatte gehofft, dass du das vorschl ä gst «, sagte sie. Sie rollte ein Instrumententablett herbei. Ich w ä hlte ein Skalpell, um zuerst Luftr ö hre, Speiser ö hre und Halsmuskulatur zu durchtrennen. Als ich die Halswirbels ä ule freigelegt hatte, nahm ich ein Sektionsmesser – Skalpellklingen waren d ü nn und brachen relativ leicht; wenn die Klinge tief zwischen zwei Wirbeln steckte, brauchte es dazu nicht mehr als leichten seitlichen Druck.
    Als ich mich daranmachte, die Wirbels ä ule zwischen dem zweiten und dem dritten Halswirbel zu durchtrennen, trat Jess an die Fahrtrage und packte den Kopf mit beiden H ä nden, neigte ihn nach hinten und ü bte einen leichten Zug aus, sodass die L ü cke zwischen den Knochen gr öß er wurde, je tiefer das Messer schnitt. » Danke «, sagte ich. » Das hilft. Und es reduziert die Gefahr, dass ich die Knochen verletze.«
    Ein paar weitere Schnitte mit dem Messer, und die Wirbels ä ule war durchtrennt. Blieben nur noch die Muskeln und die Haut auf der R ü ckseite des Halses, und die waren leicht zu durchschneiden, besonders da Jess weiterhin Zug aus ü bte. Als der Kopf ganz gel ö st war, drehte sie ihn in beiden H ä nden, um ihn mit einer Intensit ä t in Augenschein zu nehmen, als s ä he sie ihn zum ersten Mal. Wie sie ihn so betrachtete, erinnerte sie mich an ein religi ö ses Gem ä lde, das ich einmal gesehen hatte: Salome, die den Kopf von Johannes dem T ä ufer hielt. Doch auf dem Gem ä lde war Salome exotisch gewesen, jung und pr ä chtig gekleidet; im grellen Neonlicht des Leichenschauhauses sah Jess – in ihrer Jeans und ihrem schmutzigen Kittel – mitgenommen aus, ersch ö pft und nicht mehr ganz so jung. Zum ersten Mal in den Tagen, seit ich auf die Spitzen ihrer Schlangenlederstiefel geschaut hatte, verlie ß mich die Hoffnung, dass wir je eine Romanze miteinander haben w ü rden.
    » Ich t ü te ihn ein und verstaue ihn f ü r dich in einer K ü hlbox «, sagte sie.
    » Danke. Willst du immer noch, dass ich mir den Tatort ansehe? «
    » Wenn du noch willst.«
    » Klar «, sagte ich. » Wie weit ist es? «
    » Luftlinie nur rund f ü nfzehn Kilometer «, sagte sie, »aber auf der Stra ß e wahrscheinlich doppelt so weit. Und ein Teil des Weges besteht nur aus einer Schotterpiste. Du wirst also eine Dreiviertelstunde bis eine Stunde brauchen.«
    Ich schaute auf die Uhr; der Nachmittag war schon weit vorangeschritten. » Dann mache ich mich wohl besser gleich auf den Weg.«
    » Ja. Warum w ä schst du dich nicht und ziehst dich um – wir haben sicher noch ein Jeanshemd mit unserem Logo f ü r dich. Ich sag Amy, sie soll dir eins geben, und stelle zusammen, was du brauchst,

Weitere Kostenlose Bücher