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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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aktuellen forensischen F ä llen zur ü ckstehen musste. F ä llen wie der Untersuchung von Craig Willis’ eingeschlagenem Sch ä del. Das Problem war nur, dass ich nicht ü ber die Tatsache hinwegsehen konnte, dass ich von Jess Carter gebeten worden war, diese Untersuchung durchzuf ü hren und einen Bericht dar ü ber zu schreiben. Und Jess war jetzt tot.
    Der Mord an Craig Willis musste noch aufgekl ä rt werden; Jess’ Tod brachte die Ermittlungen wom ö glich ins Stocken, w ü rde sie jedoch nicht zum Erliegen bringen. In meinem E-Mail-Posteingang war sogar schon eine Nachricht mit der Ank ü ndigung, dass Garland Hamilton vor ü bergehend f ü r Jess in Chattanooga einspringen w ü rde; genau wie Jess hier in Knoxville f ü r Hamilton eingesprungen war, als seine Zulassung ü berpr ü ft wurde. Doch auch das Wissen, dass die R ä der des Gesetzes sich, wenn auch langsam, weiterdrehen w ü rden, gab mir im Augenblick nicht die Kraft, mich ins Zeug zu legen.
    Ich ö ffnete den Karton, in dem Willis’ Sch ä del lag, und nahm ihn zusammen mit dem Sch ä deldach heraus, legte den Sch ä del auf ein ringf ö rmiges Kissen und starrte auf das eingeschlagene Gesicht, als k ö nnte in den Frakturlinien, die in Willis’ Knochen eingezeichnet waren, ein Schl ü ssel zu dem Mord an Jess liegen. Irgendeine Verbindung gab es, da war ich mir ganz sicher, aber wo genau lag sie? Oder wer war sie?
    Jess’ Leiche war an die Leiche gebunden gewesen, die wir auf der Body Farm als Double f ü r Willis benutzt hatten. Die Tatort-Rekonstruktion diente dazu, Willis’ Leichenliegezeit genauer zu bestimmen. Bedeutete das, dass derjenige, der Willis umgebracht hatte, auch Jess’ M ö rder war? Und wenn ja, warum? Weil er Jess als Bedrohung betrachtete? Weil sie der Wahrheit zu nahe kam? Aber was war diese Wahrheit? Ich hatte keine Ahnung, wer Willis umgebracht hatte, und soweit ich wusste, hatten weder Jess noch die Polizei von Chattanooga mehr Einblick in diesen Mord als ich.
    Doch wenn Willis’ M ö rder Jess nicht umgebracht hatte, wer war es dann gewesen? Wer sonst konnte ihr den Tod gew ü nscht haben? Als Medical Examiner hatte Jess nat ü rlich zahlreiche T ö tungsdelikte bearbeitet; theoretisch konnte jeder dieser F ä lle jemanden dazu bewegt haben, Rache zu nehmen – zum Beispiel ein Verwandter von jemandem, der aufgrund von Jess’ Obduktion und Zeugenaussage im Gef ä ngnis gelandet war. Bestimmt spielte der Zeitpunkt eine Rolle: Warum jetzt ? Was war in letzter Zeit passiert?
    Ich dachte zur ü ck an Willis’ Mutter und die irrationale Wut, mit der sie auf Jess losgegangen war. Sie hatte Jess beschuldigt, den Ruf ihres Sohnes zerst ö rt zu haben, indem sie die Information, dass er als Drag-Queen gekleidet gewesen war, herausgegeben hatte und – falls Jess ü berhaupt die ungenannte Quelle war – dar ü ber spekuliert hatte, der Mord k ö nne ein homophobes Hassverbrechen sein. Konnte der Zorn, der in meinem B ü ro ausgebrochen war, noch st ä rker geworden sein, nachdem sie geflohen war, und dann so weit eskaliert sein, dass er sie zu einem Mord getrieben hatte? Sie war mit einer vagen Drohung gegen Jess abgerauscht, doch in der Hitze des Augenblickes stie ß en Menschen oft Drohungen aus, die sie niemals wahrmachten. Abgesehen davon stellte sich die Frage, warum sie, wenn sie Jess umgebracht hatte, ihre Leiche auf diese obsz ö ne Weise an die Leiche fesseln sollte, die als Double f ü r ihren Sohn diente? Das ergab keinen Sinn. Es sei denn, dachte ich, sie wollte durch diese Inszenierung die von Jess erw ä hnte Theorie widerlegen. Es sei denn, sie wollte damit, dass sie Jess umbrachte und auf diese Weise an das Forschungsobjekt fesselte, sagen: » Zur H ö lle mit dir und zur H ö lle mit deiner entw ü rdigenden Theorie ü ber den Tod meines Sohnes.«
    Doch was war, wenn es keine Verbindungen gab? Was war, wenn derjenige, der die Drohungen auf Jess’ Anrufbeantworter hinterlassen hatte, sie wahrgemacht hatte? In dem tr ü ben, ver ä nderlichen Licht, das mich in den Stunden, seit ich Jess’ Leiche gefunden hatte, einh ü llte, konnte ich die Dinge genauso gut – oder genauso schlecht – von allen Seiten betrachten.
    Irgendwann drang das Klingeln des Telefons in mein Bewusstsein. Es war mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich das, was passiert war, auch mit Jeff oder Miranda oder einem anderen mir nahestehenden Menschen h ä tte besprechen k ö nnen, statt hier zu sitzen und allein vor mich hinzugr

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