Bis auf die Knochen
– einem an dem Maschendrahttor, einem am Holztor.«
» Was war noch ungew ö hnlich? «
» Am inneren Tor steckte eine Nachricht f ü r mich.« Pl ö tzlich erinnerte ich mich daran, dass der Zettel in meiner Tasche war. Ich wollte ihn rausholen, besann mich jedoch, bevor ich ihn angefasst hatte. » Ich werde lieber einen Beamten Ihrer Spurensicherung bitten, ihn aus meiner Tasche zu holen und einzut ü ten. Es ist eine Nachricht von Dr. Carter. Oder zumindest angeblich von Dr. Carter. Sie lautet: ›Ich bin drinnen. Komm rein.‹ Meine Fingerabdr ü cke werden darauf sein, weil ich ihn zwischen den Brettern rausgezogen und gelesen habe. Aber vielleicht sind auch noch die Fingerabdr ü cke desjenigen darauf, der ihn dort hingesteckt hat.«
Er nickte und malte ein K ä stchen um das Wort NACHRICHT, mit Pfeilen, die auf die Ecken des K ä stchens zeigten, um es noch deutlicher hervorzuheben.
» Und was haben Sie gemacht, als Sie die Nachricht gefunden hatten? «
» Ich bin reingegangen und habe mich umgesehen und Dr. Carters Namen gerufen. Zuerst bin ich da runtergegangen «, ich zeigte auf den unteren Bereich, wo Jess manchmal Leichen zum Skelettieren ablegte, » und dann bin ich dort den Weg raufgegangen, der zum Forschungsobjekt f ü hrt. Und da habe ich sie gefunden. Ihre Leiche. An die andere gebunden.«
» Was haben Sie gemacht, als Sie sie gesehen haben? «
» Zuerst gar nichts. Ich habe sie nur angestarrt. Ich konnte es nicht begreifen; ich konnte nicht denken. Schlie ß lich – ich meine, es waren wahrscheinlich nur eine oder zwei Minuten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit – w ä hlte ich die Nummer der Polizei.«
» Und nach dem Anruf, was haben Sie da gemacht? Haben Sie sich der Leiche gen ä hert? Haben Sie die Leiche wom ö glich sogar angefasst? «
Ich sch ü ttelte den Kopf. » Nein. Ich bin gescheit genug, an einem Tatort nicht herumzutrampeln.«
» Wie nah waren Sie? «
» Zwei Meter. Vielleicht auch zweieinhalb oder drei.«
» Und woher wussten Sie, dass sie tot ist? «
Ich sah ihn an, begegnete zum ersten Mal richtig seinem Blick. » Detective, ich habe die letzten f ü nfundzwanzig Jahre nichts anderes getan, als den Tod zu erforschen. Ich habe Hunderte von Leichen gesehen. Ich erkenne die leeren, bew ö lkten Augen. Ich kenne den Unterschied zwischen flachem Atem und keinem Atem, zwischen einem bewusstlosen Menschen und einer leblosen Leiche.« Ich merkte, dass ich die Stimme erhoben hatte, doch es schien eine fremde Stimme zu sein, nicht meine eigene; eine Stimme, die ich nicht unter Kontrolle hatte. » Wenn Schmei ß fliegen um die blutige Leiche einer Frau herumfliegen und ihr in den offenen Mund krabbeln, muss ich nicht nach dem Puls tasten, um zu wissen, dass diese Frau tot ist.«
Evers sah mich unverwandt an, in seinen Augen gleicherma ß en Entsetzen wie Faszination. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, dass auch andere Augen mich anstarrten. Ich schaute zum Tor und sah ein Dutzend Menschen, die in meine Richtung blickten und die alle mehr oder weniger entsetzt waren. Ich holte tief Luft und rieb mir ü ber Augen und Stirn. » Tut mir leid «, sagte ich. » Das nimmt mich alles sehr mit.«
» Das glaube ich gerne «, sagte Evers. » Sie m ü ssen sich nicht entschuldigen. Ich muss jetzt rauf an den Tatort. Und wir brauchen hier wahrscheinlich den ganzen Tag. Aber ich w ü rde mich gerne morgen ausf ü hrlicher mit Ihnen unterhalten, falls es Ihnen nichts ausmacht. Um mehr ü ber Dr. Carter zu erfahren, ihre Kollegen, ihre Aktivit ä ten. Okay? «
» Nat ü rlich «, sagte ich. » Was immer ich tun kann, um zu helfen. Wann soll ich da sein? «
» Zehn Uhr? « Ich nickte. » In Ordnung. Danke, Dr. Brockton. Gehen Sie es heute ruhig an. Sie stehen ganz sch ö n unter Schock.«
» Ja, das stimmt wohl. Danke. Tun Sie, was Sie k ö nnen.«
Er l ä chelte breit und entbl öß te dabei zwei Reihen Z ä hne, die so wei ß waren, dass er damit tolle Werbung f ü r Crest oder sonst eine Zahnpasta h ä tte machen k ö nnen. »Das tue ich immer, Doc. Das tue ich immer. Oh, eines noch. Bleiben Sie bitte noch eine Minute sitzen und lassen Sie mich einen Kriminaltechniker suchen, der die Nachricht aus Ihrer Tasche fischen kann.«
Ich r ü hrte mich nicht vom Fleck, und er kam ein paar Minuten sp ä ter in Begleitung eines Kriminaltechnikers zur ü ck, der von Kopf bis Fu ß in einem wei ß en Einweg-Schutzoverall aus Tyvek steckte. Mit einer Pinzette zog der Beamte die
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