Bis das Blut gefriert
Hin und wieder die eines Kindes, sie nahm auch die Geräusche der Autos wahr oder das typische Knattern der Roller.
Das Bad war eng, aber es besaß eine hohe Decke. Dicht unter der Decke gab es ein kleines Viereck, das Fenster. Es besaß keine Glasscheibe und war statt dessen mit einem Fliegengitter versehen.
Zwischen den Wänden hing noch der Geruch des Duschgels, das Rosanna’s Mutter benutzt hatte. Es gab nur eine Dusche. Für eine Wanne war der Raum zu klein. Platz bot er noch für die Toilette, für das Waschbecken und für einen schmalen Schrank, in dem auch das Duschgel der Tochter stand.
Die Hand- und Badetücher hingen an einigen Haken. Der Boden der Duschtasse schimmerte noch feucht.
Wenig später war Rosanna nackt, und die Strahlen prasselten auf ihren Körper. Sie genoss das Wasser, hielt die Augen geschlossen und dachte plötzlich an eine Filmszene aus dem Thriller Psycho. Da hatte auch eine Frau unter der Dusche gestanden. Da war dann der Killer mit dem langen Messer erschienen und hatte mehrmals auf sie eingestochen.
Die schrille, weltbekannte Musik schrillte durch ihren Kopf und erschreckte Rosanna so sehr, dass sie die Augen öffnete und zum Abfluss hinschaute. Sie wollte sehen, ob sich dort auch das Blut sammelte wie im Film.
Gewundert hätte es sie nicht. Aber hier rann das Wasser kreisend und gurgelnd in den Abfluss hinein. Mit einer Gefahr brauchte sie nicht zu rechnen.
Sie schäumte sich ein und hatte dabei das Gefühl, nicht nur den normalen Schweiß vom Körper zu waschen, sondern auch das fremde Blut, das sie in der Nacht im Brunnen gesehen hatte. Irgendwie fühlte sie sich beschmutzt. Trotz des warmen Wassers drang ein kalter Hauch über ihren Rücken.
Rosanna fühlte sich mit einem Mal wehrlos. Auch weil sie nackt war, und sie stellte hastig die Dusche ab, um die Kabine in Begleitung einer Dunstwolke zu verlassen.
Für einen Moment blieb sie auf dem kratzigen Handtuch am Boden stehen. Sie schüttelte das Wasser aus den Haaren, griff zum Badetuch und wickelte sich darin ein.
Das Rauschen des Wassers war vorbei. Stille hielt sie wieder umfangen. Sie sagte kein Wort, obwohl sie in solchen und ähnlichen Situationen gern mit sich selbst sprach. Rosanna wollte sich so schnell wie möglich abtrocknen, sich anziehen und dann Camino, dem Pfarrer, einen Besuch abstatten. Er hatte dieses Gerücht in die Welt gesetzt. Wenn sie ihm jetzt von ihren Erlebnissen berichtete, würde sie erfahren, wie er reagieren und zu dem Gerücht stehen würde.
In der Dusche hing auch ihr Bademantel, den sie überstreifte. Sie schloss den Knoten des Gürtels locker, öffnete die Tür und ärgerte sich, dass sie ihre flachen Stoffschuhe nicht mitgenommen hatte. So musste sie den Weg nach oben barfuß gehen.
Die Stille im Haus hatte sich nicht verändert. Nach wie vor gab es keine fremden Geräusche. Das hätte Rosanna eigentlich beruhigen müssen, war jedoch nicht der Fall. Sie fühlte sich plötzlich unwohl. Das Haus kam ihr noch enger vor als es ohnehin schon war, fast wie eine düstere Grabkammer. Das Gefühl hatte sie in all den Jahren noch nie gehabt. An diesem Tag allerdings konnte sie es auch nicht abschütteln. Alles ging mit den Vorgängen der vergangenen Nacht zusammen.
So schnell wie möglich nach oben in das Zimmer gehen, anziehen, dann raus.
Bisher hatte Rosanna in der Nische gestanden. Sie trat aus ihr heraus, und die nackten Füße tappten auf den Steinboden. Die dabei entstehenden Geräusche waren ihr vertraut, und auch jetzt gab es sie, aber anders.
Nach zwei Schritten hielt sie inne. Sie konzentrierte sich auf ihre Füße und dachte daran, was sie bei den zwei zurückgelegten Schritten gespürt hatte.
War es tatsächlich unter den Füßen klebrig gewesen und auch kalt.
Ihr Herz klopfte schneller. Trotz der frischen Dusche brach ihr wieder der Schweiß aus. Das Gefühl der Beklemmung steigerte sich noch mehr, und sie bückte sich jetzt, um die Steinfliesen besser betrachten zu können. Die Fugen dazwischen waren mit einer dunklen Masse gefüllt worden. Die kannte sie auch, aber die Masse war nie so glänzend gewesen wie an diesem Morgen.
Zwischen den Steinen schimmerte es wie Wasser. Oder auch wie Öl...
Rosanna zitterte. Sehr langsam beugte sie sich weiter vor. Jetzt fiel ihr auch die Kälte an ihren Fußsohlen auf, und ein schrecklicher Verdacht keimte hoch.
Nein! schrie es in ihr. Nein, das kann so nicht stimmen. Das ist einfach unmöglich!
Dennoch wollte sie die Wahrheit wissen.
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