Bis das Blut gefriert
»Hast du schon eine Idee? Weißt du etwas über einen Hintergrund, warum ausgerechnet in Limano das Blut gefroren ist?«
Ignatius’ Gesicht verdüsterte sich. »Nein, leider noch nicht. Allerdings hat das Dorf auch seine Geschichte wie alles hier in Italien.«
»Welche denn?«
»Eine etruskische. Hier ist ein Zentrum der Etrusker gewesen. Das hat sich dann später gelegt, als sie sich weiter nach Norden ausbreiteten. Ihre Anwesenheit allerdings mit dem gefrorenen Blut in einen Zusammenhang zu bringen, halte ich für etwas gewagt.«
»Ich auch«, sagte Bill.
Ich hielt mich heraus und genoss den Schatten unter dem Blätterdach des Eichenbaums. Meine Gedanken gingen bereits in die Zukunft hinein. Ich war davon überzeugt, dass der eisige Blutklumpen erst der Anfang gewesen war...
***
Rosanna Fabrini hatte den Rest der Nacht, wenn überhaupt, nur sehr schlecht geschlafen. Ihr waren ein paar Mal die Augen zugefallen, und dann war sie hineingeraten in die Welt der Albträume. Für sie waren sie voller Blut. Sie sah es überall, und sie fühlte sich als Gefangene in einem kleinen Raum, aus dessen Wänden, der Decke und auch dem Fußboden das Blut in wahren Wellen kroch und sie dabei so stark überschwemmte, dass sie Angst hatte, zu ersticken.
Von ihrem Freund hatte sie sich noch in der Nacht schnell getrennt. Sie wollte allein sein, obwohl Flavio dagegen gewesen war. Er hatte noch vorgehabt, mit ihr zu reden, doch darauf hatte sie keine Lust. Über die Leiter war sie wieder auf das Dach und anschließend in ihr Zimmer gestiegen.
Rosanna hätte noch in die Schule gehen müssen. Sie befand sich im Abschlussjahr und stand vor der Prüfung. Das würde nicht passieren. Sie wäre einfach nicht in der Lage gewesen, dem Unterricht zu folgen. Sie würde Kopfschmerzen vortäuschen und zu Hause bleiben. Der Morgen war bereits angebrochen, als sie endlich etwas tiefer schlief und von ihrer Mutter geweckt wurde, die sich darüber wunderte, dass die Tochter noch nicht aufgestanden war.
»Was ist los, Kind? Warum...?
»Mir geht es nicht gut.«
»Du bist krank?«
»Kann sein.«
Rosanna schaute auf die Uhr. Da sie wenig geschlafen hatte, sah sie schon leidend genug aus. Besorgt schaute die Mutter sie an. Sie hatte dunkles Haar wie Rosanna, aber bei ihr zeigten sich bereits die ersten grauen Strähnen, obwohl die Haut noch jung aussah. Zudem war sie erst fünfunddreißig.
»Soll ich einen Arzt holen, Kind?«
»Nein. So schlimm ist es nicht. Aber ich fühle mich so matt. Ich habe Gliederschmerzen und möchte am liebsten nur hier im Bett liegen bleiben. Ich kann nicht in den Bus steigen und in die Schule fahren. Das ist heute unmöglich.«
»Aber ich muss auch weg. Ich habe in Rom einen Termin beim Arzt.«
Rosanna lächelte. »Das ist nicht schlimm, Mama. Wenn ich mich ausgeruht habe, geht es mir besser.«
»Dein Vater kommt heute auch erst spät zurück. Er hat noch eine Parteiversammlung.«
»Das macht nichts.«
Signora Fabrini verzog weinerlich das Gesicht. »Gern lasse ich dich ja nicht allein, cara mia .«
»Doch, das musst du tun, Mama. Ich bin kein Kind mehr. Daran solltest du denken.«
»Mein Kind bleibst du immer.« Davon ließ sie sich nicht abbringen und legte ihrer Tochter eine Hand auf die Stirn. »Nein, ich denke nicht, dass du Fieber hast.«
»Das möchte ich auch nicht bekommen. Deshalb bleibe ich erst mal im Bett liegen. Morgen ist auch noch ein Tag. Da geht es mir dann bestimmt besser.«
»Das will ich hoffen«, erwiderte Signora Fabrini und warf einen hastigen Blick auf die Uhr. »Oh ja, es wird Zeit für mich. Ich komme sonst zu spät.« Sie küsste ihre Tochter auf die Wange. »Mach es gut, Rosanna. Ich bin am Nachmittag wieder zurück.«
»Da geht es mir bestimmt besser.«
»Ich drücke dir die Daumen.«
Sekunden später war sie aus dem Zimmer verschwunden. Die Tür allerdings hatte sie offen gelassen, und Rosanna lauschte dem Klang ihrer Schritte, die sehr bald verstummten.
Sie war froh, endlich wieder allein zu sein. jetzt konnte sie tun und lassen, was sie wollte. Besonders ging es ihr wirklich nicht, denn die Ereignisse der vergangenen Nackt spukten noch durch ihren Kopf und überschatteten ihr gesamtes Denken. Aber sie hatte sich einen Plan ausgedacht, und den würde sie durchführen.
Sie stand auf. Das dünne Nachthemd klebte an ihrem Körper. Was sie jetzt brauchte, war eine Dusche.
Das Bad lag nicht auf der gleichen Etage, sondern unten, wo die Eltern wohnten. Hier oben gab es nur
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