Bis das Blut gefriert
zwischen den Fliesen gequollen war.
Zuerst entdeckte sie nichts. Keine feuchte Spur. Keine schimmernden Flecken. Sie wollte schon aufatmen, als alles ganz anders kam. Fast zum Greifen nah sah sie das Blut. Auch die eigenen Fußabdrücke fielen ihr auf. Auf der Treppe hatten sie kaum Spuren hinterlassen. Das sah auf den Fliesen anders aus.
Es war nicht verschwunden – und es erhielt Nachschub. Aus den Ritzen quoll es hervor. Aber nicht nur an der gleichen Stelle, sondern auch an anderen. Weiter zur Tür hin und auch in Richtung Bad.
Leicht gebückt stand die junge Frau auf der Stufe. Sie hatte eine Hand erhoben und sie gegen ihren offenen Mund gepresst. Die Angst malte sich in den Augen ab. Das Zittern unterdrückte sie nur mit großer Mühe. Wenn sie zur Tür wollte, kam sie am Blut vorbei. Sie musste einfach hindurchschreiten. Das war wie eine Falle.
Rosanna suchte nach einem Ausweg. Noch gab es für sie eine Chance. Die Fliesen waren noch nicht völlig mit Blut bedeckt. Es breitete sich zwar aus, doch es hielt sich mehr an den Rändern. Die Mitte war frei. Wenn sie gezielt sprang, konnte sie trockenen Fußes die Tür erreichen.
Der Vorsatz war gefasst, allein, Rosanna setzte ihn nicht in die Tat um. Es gab etwas, das sie davon abhielt, und es war ein Phänomen, dessen Existenz sie sich nicht erklären konnte.
Vom Blut löste sich der Dampf. Schon einmal hatte sie dieses Phänomen erlebt. Das war in der Nacht gewesen, aber hier traf es sie noch schlimmer.
Der Qualm drehte sich in die Höhe. Es waren keine breiten Säulen, die sich vom Blut gelöst hatten, sondern mehr schmale, zittrige und durchsichtige Schwaden. Aber sie waren da und keine Einbildung. Sie fügten sich zusammen und kamen von verschiedenen Seiten, so dass der dunkle Rauch immer dichter wurde. Dabei blieb es nicht, denn wie von Geisterhand gezeichnet nahm der Rauch plötzlich Gestalt an. Er formte sich dem Körper eines Menschen nach. Er war schwarz, jetzt fast undurchsichtig, und Rosanna’s Augen weiteten sich auf Grund eines plötzlichen Erkennens Das hatte sie schon gesehen. Sie erinnerte sich an die Nacht, als die Gestalten auf sie und ihren Freund zugekommen waren. Nur hatten sie da nicht aus diesem Rauch bestanden, sondern noch Kutten übergestreift. Oder waren diese nicht vorhanden gewesen?
Rosanna schüttelte den Kopf. Mit Gewalt riss sie sich aus ihren Erinnerungen los. Sie wollte auch nicht daran denken, dass sich die Gestalten in der Nacht mit dem Blut aus dem Brunnen gewaschen hatten, sie wollte an gar nichts mehr denken und hatte plötzlich das Gefühl, aus dem Innern hervor einen Startschuss erhalten zu haben.
Nichts hielt sie mehr auf der Treppe. Mit einem langen Satz löste sich Rosanna von der Stufe. Der eigene Schrei machte ihr Mut. Sie sprang gegen eine der breiten und viereckigen Fliesen, stieß sich noch einmal ab und prallte gegen die Haustür.
Jetzt war sie sogar sicher, in kein Blut getreten zu sein. Nervös zerrte sie die Tür auf, huschte über die Schwelle – und erlebte die andere Welt mit ihrer Wärme, dem Sonnenschein und auch den in der Nähe liegenden Schatten, die von den Hauswänden in die Gasse geworfen wurden.
Der Tag hatte sie zurück. Das Grauen war vorbei.
Nein, so durfte sie nicht denken. Der Pfarrer war noch immer wichtig. Die Menschen, die Rosanna wenig später sahen, staunten darüber, wie schnell sie durch die schmalen Gasse auf eine Treppe zulief, um die Kirche auf dem kleinen Plateau zu erreichen...
***
Father Ignatius war es, der den seltsamen Untertitel mit leiser Stimme wiederholte und dann noch das Wort Etrusker hinzufügte, als wollte er auf unsere Reaktion warten. Die dann auch prompt erfolgte, denn Bill Conolly fragte: »Warum sagst du das?«
»Weil sich die Vorgänge darum drehen. Eben um dieses alte Volk, das einmal hier auf unserer Insel gelebt und zahlreiche Spuren hinterlassen hat.«
Da hatte er recht. Die Etrusker waren ein altes und geistig sowie technisch hochentwickeltes Volk gewesen, das die italienische Halbinsel ungefähr vom 7. bis zum 4. Jahrhundert beherrscht hatte mit dem Kernland Etrurien. Es hatte bei ihnen ein politisches Gemeinwesen gegeben, denn sie hatten sich zu regelrechten Städtebünden zusammengeschlossen, um sich gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können und sich Hilfe zu geben. Sie hatten letztendlich auch den römischen Stadtstaat erschaffen. Rom hatte sich erst viel später mit Hilfe der Griechen von den Etruskern befreien können, die
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