Bis das Blut gefriert
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Die Tür war nicht abgeschlossen. Sie ließ sich von Ignatius leicht nach innen drücken. Er war der Mann, der alles in Bewegung gebracht hatte. Deshalb wollten wir ihm auch den Vortritt lassen.
Mit vorsichtigen Schritten betrat er den Raum, in dem es ebenfalls recht kühl war. In einer Ecke stand eine zusammengerollte Fahne. Es gab einen Schrank mit verschlossenen Türen aus dickem braunem Holz. Der Fußboden bestand aus Steinplatten. Ein kleiner Tisch, zwei Stühle und ein Waschbecken in der Nähe des Fensters.
Aber keine Spur von Camino.
Father Ignatius’ Gesicht zeigte eine Spur von Enttäuschung, als er sich umdrehte. »Schade. Er muss geflohen sein. Die Angst ist einfach zu groß gewesen. Vielleicht hat er auch erkannt, was hier passiert ist und was noch passieren wird.« Etwas verloren schaute er auf die beiden Türen des viel zu großen Schranks, der mit seiner oberen Kante fast gegen die Decke kratzte.
Ich wusste selbst nicht warum, aber ich konnte seine Meinung über den Pfarrer nicht teilen. Deshalb schüttelte ich auch den Kopf. »Die andere Seite wird ihm nicht die Chance gegeben haben, so schnell zu verschwinden.«
»Wirklich?«
»Ja, Ignatius, so denke ich.« Nach der Antwort setzte ich mich in Bewegung. Vier Augen verfolgten meine kleinen Schritte, und sie sahen auch, wie ich meine Nase bewegte. Ich schnüffelte, wie jemand, der etwas riechen will.
»Was hast du?«, fragte Bill.
»Es ist der Geruch.«
»Welcher?«
»Blutgeruch.«
»Vorn Taufbecken her – oder?«
»Nein, das ist es nicht. Es ist ein neuer Geruch, und die Quelle liegt hier in der Sakristei. Ich denke nicht, dass wir allzu weit von Pfarrer Camino entfernt sind.«
»Wo sollte er denn sein?«
Ich ging noch einen Schritt vor, blieb stehen und deutete auf den Schrank. »Der ist groß genug.«
»Wie?« Ignatius schüttelte den Kopf. »Du glaubst, dass der Pfarrer dort eingesperrt worden ist?«
»Wenn es das mal wäre...«
»Also ist er...«
»Es riecht nach Blut, Ignatius, nach Blut, hörst du?«
»Ja, ja, aber das hast du gesagt...« Er sprach nicht mehr weiter, denn ich war nach vorn auf den Schrank zugegangen, der zwei Türen hatte. In der rechten steckte ein schwarzer Schlüssel im Schloss.
Ich fasste ihn an und drehte ihn. Die Tür war tatsächlich abgeschlossen gewesen. Sie klemmte auch etwas, als ich sie aufzog. Mit einem letzten Ruck war sie dann offen, und mein Blick fiel in den Schrank hinein.
Er war recht tief. Trotzdem sah ich schon beim ersten Hinschauen, dass es dort etwas gab, was nicht hineingehörte. Ich öffnete die rechte Tür noch weiter und dann auch die andere.
Jetzt fiel Licht hinein.
Es gab keinen von uns, der nicht bleich wurde. Ich stand am nächsten. Der Schweiß stand mir plötzlich auf der Stirn. Ich spürte ihn auch an den Handflächen.
Wir sahen den Pfarrer, und er war tot!
Gut, wir hatten damit rechnen müssen, waren aber trotzdem entsetzt, wie dieser Mann vom Leben in den Tod befördert worden war. Man hatte seine Leiche in den Schrank gedrückt. Vielleicht war er auch selbst dort hineingegangen, um sich zu verstecken, das war alles möglich. Jedenfalls saß er etwas schräg auf dem Boden, und er drückte seinen Rücken gegen die innere Rückseite der Schrankwand.
Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Dabei war das Hemd nicht mehr weiß. Es klebte als blutiger Lappen auf dem nackten Oberkörper.
Und Blut malte sich auch auf seinem Gesicht ab. Es wirkte wie zerschnitten, denn die rote Flüssigkeit war aus zahlreichen Wunden hervorgetreten. Von der Haut war so gut wie nichts mehr zu sehen, denn überall lag diese dicke rote Schicht. Dazwischen schimmerten die Augen, die so starr geworden waren.
Und noch etwas kam hinzu, das uns entsetzte. Der Pfarrer hatte versucht, Hilfe bei einem Kreuz zu suchen. Er hatte sich das große Holzkreuz geschnappt und es mit in den Schrank genommen. Er hatte es dann auf den Boden gestemmt und seine Arme um den Querbalken gehängt. Ob er in dieser Haltung gestorben war, war nicht festzustellen. Man konnte allerdings davon ausgehen.
Als ich mich drehte, hörte ich das Stöhnen meines väterlichen Freundes. Er schüttelte den Kopf und schaute zu Boden, dann ging er zur Seite und presste die Hände gegen sein Gesicht.
Bill Conolly war ebenfalls totenbleich geworden. »Ich... ich... kann es nicht glauben. Das ist ja grauenhaft. Wie... wieso...?
Ich hob die Schultern. Auch ich fühlte mich hilflos. Es stand fest, dass hier Kräfte
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