Bis das der Biss uns scheidet
sie denkt.
»Er wird schon klarkommen«, versuche ich, sie zu beruhigen, obwohl ich, was das anbelangt, überhaupt nicht sicher bin.
Immerhin waren es sehr viele Werwölfe. Und die Flüchtlinge sind nicht gerade vor Gesundheit strotzende, kampfgestählte Vampirsoldaten. Haben sie und Jareth und Magnus überhaupt eine Chance? Und wenn sie überwältigt werden, wird man sie auf der Stel e töten? Oder zurück nach Hause schleppen, damit Pyrus die grausame Tat selbst ausführen kann?
»Ich denke nicht an Magnus«, stel t Sunny richtig und sieht wieder in die Röhre. »Ich meine, natürlich denke ich auch an ihn. Aber … hast du nicht auch was gehört?«
Ich erstarre und spitze meine vampirscharfen Ohren, lausche auf Geräusche aus dem Tunnel. Vielleicht kracht auch nur gerade der Gang hinter uns ein. Oder es ist ein Echo vom Schlachtfeld. Oder einer der Chupacabras . . .
. . . hoffe ich.
»Gehen wir weiter«, sage ich und dränge meine Schwester schnel er zu laufen. Aber das Geräusch wird nur noch lauter, als wir die Gleise entlangrennen. Gerade als wir auf einen eingestürzten Teil des Tunnels stoßen, der uns den Weg versperrt, ertönt eine vertraute weibliche Stimme in der Dunkelheit.
»Rayne und Sunshine McDonald! Zeigt euch!«
Oh Gott. Wir drehen uns langsam um und sehen uns meinem mehr oder weniger schlimmsten Albtraum gegenüber.
»Bertha«, flüstere ich.
Die Jägerin trägt wieder ihre volle Montur aus Resident Evil, hat die langen braunen Haare aus ihrem höhnisch grinsenden Gesicht zurückgebunden und hält einen rasiermesserscharfen Pflock in jeder Hand.
Sie lächelt süffisant und mit einem gierigen Ausdruck in ihren Knopfaugen.
»Äh, was machst du hier?«, frage ich. Als hätte ich es nicht schon geahnt. Ein schmachtender Anruf von ihrem Exliebhaber und sie steht wieder auf der Gehaltsliste.
Haben meine weisen Ratschläge denn gar nichts ausrichten können?
»Ach, du dummes kleines Mädchen«, zischt sie und macht einen Schritt auf uns zu. »Mir in meine lächerliche Fal e zu gehen. Weißt du, ich habe Pyrus noch ausgelacht, als er den Vorschlag gemacht hat. Ich hab ihm gesagt, dass du nie und nimmer glauben würdest, dass mein prächtiger Körper das Ergebnis einer Essstörung ist. Dass ich, Bertha, die Vampirjägerin, nichts bin als ein schwacher, liebeskranker Teenager, der mit Fressorgien sein geringes Selbstwertgefühl kompensieren wil , wie in einer von diesen blöden Nachmittagstalkshows.«
Ich starre sie fassungslos an. »Also . . . al diese Tabletts vol mit Essen? Das war ein Trick? Du hast gar keine Bulimie?« Ich kann nicht glauben, dass sie mir leidgetan hat.
Dass ich tatsächlich versucht habe, ihr zu helfen!
»Diät und Sport, du Dummchen.« Sie klopft sich auf die Brust. »Das ist der einzige Weg, um so auszusehen wie ich.«
Wut steigt in mir hoch. Auf sie - weil sie mich so gemein überlistet hat. Auf mich selbst -
weil ich auf einen so bil igen Trick hereingefal en bin. Das habe ich nun davon, dass ich eine freundlichere, sanftere, in der Reha geläuterte Rayne geworden bin! Jetzt werde ich für mein frisch erworbenes Mitgefühl bezahlen, und zwar kräftig.
»Du Idiotin. Wir haben dich von Anfang an benutzt«, fügt Bertha lachend hinzu. »Wer würde jemals glauben, dass Rayne McDonald ihre Schwester ausliefert - selbst wenn man sie vor die Wahl zwischen Leben und Tod stel t. Wir brauchten nur anzudeuten, dass Pyrus ihren Aufenthaltsort kennt, und schon bist du ins nächste Flugzeug gesprungen - in dem schwachsinnigen Glauben, sie retten zu können. Dann mussten wir nur noch unserer Nase nachgehen oder technischer gesagt der Wanze, die unser treues Konsortiumsmitglied Marcia in Jareths Klamotten platziert hat. Und BINGO - ihr zwei führt uns direkt zum Ziel.« Sie lächelt überlegen. »Du hast noch viel zu lernen.
Jägerin. Deinen Job hast du jedenfal s gemacht, mehr als das! Sunny, Magnus und noch ein paar andere Vampir-Flüchtlinge, nach denen wir seit Jahrhunderten suchen.
Al e auf einen Schlag! Es steht dir jetzt frei, zum Hauptquartier zurückzukehren und deinen Lohn für die geleisteten Dienste zu kassieren. Von hier an übernehme ich.«
»Träum weiter«, knurre ich und packe meinen Pflock fester, während mein Verstand fieberhaft an einem Rettungsplan arbeitet.
Ich sehe Sunny an, die ständig zwischen Bertha und mir hin und her sieht, als versuchte sie herauszufinden, was zum Teufel hier eigentlich los ist. »Es tut mir leid«, entschuldige ich mich mit
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