Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
dazu durchringen, ihn zu verlassen, und sei es nur für ein paar Minuten. Ich konnte ihn nicht noch einmal verlieren.
Ich drückte meine Hand gegen das Fenster, fester dieses Mal. »Ich bin hier, Dad.«
Plötzlich überzog sich das Glas mit Reif, als ich es berührte. Winzige Eisfasern krochen über das Glas, mit einem trockenen, knackenden Geräusch. Ich zuckte vor der plötzlichen Kälte zurück, die meinen Arm hinaufjagte, aber meine Haut klebte am Glas. Festgefroren. Ich schrie auf und versuchte mich zu befreien, indem ich meine andere Hand benutzte. Die Hand meines Vaters schmolz durch die Scheibe und schloss sich um meine, hielt mich fest, sodass ich nicht mehr weglaufen konnte. Er zog mich heftig nach vorn, die Backsteine verfingen sich in meinen Kleidern, mein Arm verschwand durch das Fenster, obwohl das gar nicht möglich war. Mein zu Tode erschrockenes Spiegelbild starrte mich an, mein Mund zu einem entsetzten Schrei geöffnet. Der einzige Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war, dass dies nicht mein Vater sein konnte.
»Hilfe!«, schrie ich. »Vee! Kannst du mich hören? Hilfe!«
Ich warf meinen Körper hin und her, versuchte, mein Gewicht einzusetzen, um freizukommen. Ein schneidender Schmerz schnitt in den Arm, den er gefangen hielt, und das Bild eines Messers brach mit solcher Gewalt in mein Bewusstsein,
dass ich dachte, mein Kopf wäre zersprungen. Feuer leckte an meinem Unterarm – er war dabei, mich aufzuschneiden.
»Halt!«, kreischte ich. »Du tust mir weh!«
Ich spürte, wie seine Gegenwart sich über mein Bewusstsein breitete, seine eigene Sicht überdeckte meine. Überall war Blut. Schwarz und glitschig … und es war meines. Galle stieg in meiner Kehle hoch.
»Patch!«, schrie ich in die Nacht hinaus, voller Todesangst und tiefster Verzweiflung.
Die Hand, die meine umfasste, verschwand, und ich fiel rückwärts zu Boden. Instinktiv drückte ich meinen verletzten Arm gegen mein Hemd, um das Blut aufzuhalten, aber zu meinem Erstaunen war da kein Blut. Kein Schnitt.
Ich holte tief Luft und starrte zum Fenster hinauf. Absolut unbeschädigt reflektierte es den Baum hinter mir, der sich in der Nachtluft vor- und zurückneigte. Ich rappelte mich hastig auf und stolperte auf den Gehsteig zurück. Ich rannte in Richtung des Devil’s Handbag, wobei ich mich alle paar Schritte umdrehte und über meine Schulter sah. Ich erwartete, meinen Vater zu sehen – oder seinen Doppelgänger –, wie er aus einem der Reihenhäuser auftauchte, ein Messer in der Hand, aber der Gehsteig blieb leer.
Ich sah nach vorne, um die Straße zu überqueren und sah die Gestalt einen halben Lidschlag, bevor ich in sie hineinrannte.
»Hier bist du also«, sagte Vee und streckte die Hände aus, um mich festzuhalten, als ich einen Schrei verschluckte. »Ich glaube, wir haben uns verpasst. Ich hab’s bis zum Devil’s Handbag geschafft und bin dann zurückgekommen, um dich zu suchen. Geht’s dir gut? Du siehst aus, als würdest du dich jeden Moment übergeben.«
Ich wollte nicht länger an der Straßenecke stehen. Wenn
ich darüber nachdachte, was gerade an dem Reihenhaus geschehen war, konnte ich nicht anders, als mich an damals zu erinnern, als ich Chauncey mit dem Neon angefahren hatte. Einen Moment später war das Auto wieder unversehrt gewesen, und es gab keinerlei Beweise für den Unfall. Aber dieses Mal war es was Persönliches. Dieses Mal war es mein Vater gewesen. Meine Augen brannten, und mein Kinn zitterte, als ich sagte: »Ich … ich dachte, ich hätte meinen Vater wieder gesehen.«
Vee schloss mich in die Arme. »Ach, Süße.«
»Ich weiß. Es war nicht wirklich. Es war nicht wirklich«, wiederholte ich, um mich zu beruhigen. Ich blinzelte mehrere Male hintereinander, weil die Tränen meine Sicht verschleierten. Aber es hatte sich wirklich angefühlt. So wirklich …
»Willst du darüber sprechen?«
Was hätte ich schon sagen können? Ich wurde verfolgt. Jemand legte sich mit meinem Bewusstsein an. Spielte mit mir. Ein gefallener Engel? Ein Nephilim? Der Geist meines Vaters? Oder war es mein eigenes Bewusstsein, das mich betrog? Es war nicht das erste Mal, dass ich mir eingebildet hatte, meinen Vater zu sehen. Ich hatte gedacht, er versuchte, sich mit mir in Verbindung zu setzen, aber vielleicht war das auch nur mein Abwehrmechanismus. Vielleicht ließ mein Bewusstsein mich Dinge sehen, weil ich die Wahrheit nicht akzeptieren wollte. Diese Vorstellungen füllten die Leere, es war einfacher, als
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