Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
Ich habe mir die jeweils aktuelle CD von Rammstein bis heute immer sofort nach Erscheinen gekauft, weil ich von „Sehnsucht“ – was bei „Herzeleid“ nicht gleich der Fall war – schon nach erstem Hören begeistert war. „Sehnsucht“ hat mir, wenn man so will, den Rammstein-Kosmos richtig erschlossen. Denn dass hinter dieser Band eine ganz eigene Vision steckt, ist für mich schon lange völlig klar.
Toll ist auch, dass man die Gruppe nur hassen oder lieben kann, dazwischen gibt es nichts. Weil sie konsequent ist. Konsequent einzigartig. Es gibt für mich in Deutschland keine andere Formation, hinter der ein System steckt. Vermutlich ist das der Hauptschlüssel zu Rammsteins immensem Erfolg.
EVA: Das sehe ich ähnlich! Wobei dieses System sehr männlich orientiert ist, sehr körperlich. Was ich nicht für abstoßend halte, ganz im Gegenteil: Es macht mich als Frau neugierig. Trotzdem wird man als Mädchen rasch zum Außenseiter, wenn man im Freundes- und Bekanntenkreis zugibt, Rammstein zu hören und deren Musik auch noch toll zu finden.
Deshalb gehe ich inzwischen bevorzugt in Discos und Lokale, in denen harte Rockmusik gespielt wird. Denn dort wird meine Leidenschaft für Rammstein problemlos akzeptiert, obwohl der Sound nicht sehr „weiblich“ ist, was immer das heißenmag. Ich habe wenig Lust, mich ständig dafür entschuldigen zu müssen, Rammstein-Fan zu sein.
Übrigens ist auch meine Familie schockiert, dass ich Rammstein liebe. Ich komme aus einem gutbürgerlichen katholischen Elternhaus. Bei uns herrscht heile Welt, was ich durchaus genieße. Und trotzdem brauche ich es gelegentlich, dass die düstere, geheimnisvolle Welt, die Rammstein für mich repräsentiert, Einzug in diese Idylle hält, weil die nun mal ebenfalls Teil meines Daseins ist.
STEFAN: „Wie kannst du nur so fieses, hässliches Zeug wie Rammstein hören“, hat mich meine Mutter vor ein paar Jahren mal gefragt. Ich habe ihr erklärt, dass mich dieses Abstoßende fasziniert, weil es eigen und außergewöhnlich präsentiert wird. Weil die Rammstein-Mitglieder für mich tief im Herzen Moralisten sind, die einer hässlichen Welt einen hässlichen Spiegel vorhalten, ohne dieses Spiegelbild zu beschönigen. Außerdem ist die Musik dieser Gruppe einfach klasse, man kann sich bestens dabei abreagieren. Lieber spiele ich doch eine Stunde lang Luftgitarre vor dem Spiegel, ehe ich irgendeinem Wildfremden die Fresse einschlage, nur weil mir seine Visage nicht gefällt. Meine Mutter hat diese Argumente akzeptiert.
MICHA: Ich finde Rammstein zwar immer noch sehr spannend, doch man muss sich eingestehen, dass sie seit der Veröffentlichung von „Mutter“ auf den großen Markt schielen und massenkompatibel geworden sind. Der Erfolg sei der Gruppe vergönnt, er freut mich, weil sich dadurch auch in der öffentlichen Wahrnehmung für diese Art von Sound und Texten etwas verändert hat. Trotzdem müssen die Rammstein-Typen aufpassen, dass sie sich nicht selbst schlecht kopieren und ihr einst revolutionäres Auftreten ausverkaufen.
STEFAN: Stimmt schon, die Jungs von Rammstein machen es einem in den letzten Jahren nicht immer leicht, dass man voll und ganz für sie eintritt. Als ich noch Schüler war, gab es in meiner Klasse keinen Einzigen, der Heavy Metal gehört hätte, und schon gar nicht provokatives Zeug wie Rammstein. Ich war ein echter Außenseiter. Und ich war es gerne, denn Rammstein waren mir diesen Status wert. Wobei ich von meinen Klassenkameraden nicht ausgegrenzt wurde, so darf man sich das nicht vorstellen – sie verstanden nur nicht, warum ich diese Musik gehört habe. Außerdem lief ich seit meinem 16. Lebensjahr ausschließlich mit den Fan-Shirts von Metal-Bands rum, das tue ich bis heute. Ist wohl so was wie eine Lebenseinstellung
(lacht)
. Gleichgesinnte fand ich jedenfalls nur auf dem Pausenhof, unter älteren Schülern, die ebenfalls Rammstein klasse fanden. Mit denen habe ich mich dann über meine Obsession ausgetauscht.
MICHA: Mir hat an Rammstein immer schon gefallen, dass man nicht genau weiß, wie man sie einzuschätzen hat: Nehmen sie ihre Drohgebärden und dieses fast schon überlegen wirkende Herrenmenschentum, das sie durchaus verkörpern, ernst? Oderstehen sie für einen großen, genialen Entertainment-Witz, der eine eigene Moral vertritt, weil sie lieber Musik und ihre Qual an der Welt publik machen, ehe sie daran zugrunde gehen?
Dass Rammstein durchaus – vor allem auf der Bühne – eine Machtstellung
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