Bis dass der Tod euch scheidet
er allerdings gekonnt mit dem Ärmel seines weiten Pullovers wegwischte, dann versuchte er halbwegs, das Gespräch wieder aufzunehmen.
Thor würde sich niemals verhalten, wie ein Schaf. Das hätte er wissen müssen …
„Aber ich, ich möchte auch kein Schaf sein.“ Verzweiflung machte sich in Dylan breit. Nervös rutschte er auf dem Stuhl hin und her. „Was soll ich denn machen?“
„Wenn du Thor besuchst, dann wird er es sicher nicht als eine Belästigung ansehen.“
Was?
Dylan traute seinen Ohren nicht. Sein hagerer Leib verkrampfte sich ganz automatisch. Hitze stieg in ihm auf, löste die schaurige Kälte ab.
„Ich soll zu euch kommen. …?“
Im Hintergrund hörte man Tony, wie er fröhlich pfeifend das Wohnzimmer betrat.
Abrupt stand Dylan auf.
„Bist du noch da?“, tönte es leise aus den Lautsprechern des Laptops.
„Was machst du da?“, fragte Tony sofort, als er seinen Freund neben dem Computer stehen sah.
Dylan, inzwischen kreidebleich und schwer atmend, deutete auf den Bildschirm. „Ich hab Erik nur kurz begrüßt …“ Er wandte sich ab. „Entschuldige mich.“
Und als er sein Zimmer betrat und eine Weile regungslos im Raum stand und Eriks Worte noch einmal auf sich wirken ließ, wurde ihm bewusst, dass er diesen Schritt tatsächlich wagen musste. Er musste nach Norwegen reisen, um Thor zur Rede zu stellen. Jegliches andere Verhalten wäre mit Sicherheit sinnlos gewesen.
Er versuchte leise zu sein, doch Tony konnte er so schnell nichts vormachen. Die heimliche Abreise am frühen Morgen gelang ihm nicht, stattdessen fing ihn sein Manager schon auf der Treppe ab.
„Du wirst wirklich fahren?“
Es klang so unglaublich. Von Müdigkeit gezeichnet kam Tony näher. Dass Dylan verreisen wollte, war offensichtlich, dabei trug er nur leichtes Gepäck mit sich.
„Woher …?“
Tony seufzte laut. „Ich habe dich beobachtet, es war förmlich auf deine Stirn geschrieben.“ Er kam noch ein paar Stufen näher, sodass sie sich dicht gegenüberstanden. „Soll ich nicht besser mitkommen?“
„Nein.“
„Und du meinst, das ist der richtige Weg?“
Dylan nickte entschlossen, seinem Manager und Freund konnte er dabei allerdings kaum in die Augen blicken.
„Dann tu mir wenigstens den Gefallen und pass auf dich auf.“
Kapitel 12
Diesmal fühlte sich Dylan bei seiner Anreise schon viel entspannter. Gleich am Flughafen mietete er sich wieder einen Leihwagen und kaufte sogar ein norwegisches Wörterbuch.
Und er musste auch niemanden nach dem Weg fragen, denn der war ihm noch bestens bekannt.
Zügiger als beim ersten Mal fuhr er den Sognsveien entlang. Doch beim ersten, einsamen Haus, an dem er vorbeikam, blieb er abermals stehen.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht trat er in den Garten und klopfte vorsichtig an der Tür.
Kurze Zeit später öffnete wie erwartet der alte Mann.
„God dag!“, grüßte Dylan, dabei immer einen kurzen Blick in das Wörterbuch werfen. „Har du post for Thor?“, dabei deutete er zum Briefkasten und zur Straße, um sein Anliegen deutlich zu machen. „Jeg … ähm … Jeg … besøke ham.“
Der alte Mann schmunzelte. Und obwohl Dylan ernsthafte Schwierigkeiten mit der norwegischen Sprache hatte, schien ihn der Mann zu verstehen.
Kurz darauf wurden Dylan zwei Briefe in die Hand gedrückt, dann verabschiedete er sich wieder und fuhr weiter.
Als er vor den Häusern hielt, in denen Thor und Erik wohnten, bezwang ihn dann doch ein komisches Gefühl.
War es wirklich richtig gewesen, unangekündigt vorbeizukommen?
Unsicher näherte er sich dem vorderen Haus, und da hörte er auch schon Geräusche, die vom angrenzenden Grundstück kamen. Vorsichtig ging Dylan um das Anwesen herum und erblickte schließlich Thor, der im Garten mit einer Axt bewaffnet Brennholz schlug.
Trotz der herbstlichen Temperaturen trug er ein Muskelshirt, sodass Dylan eine ganze Weile nur still da stand, Thors Muskeln und Tätowierungen betrachtete, ohne bemerkt zu werden.
Kurz bevor Thor erneut auf einen Holzscheit einschlug, meldete er sich allerdings zu Wort.
„Hallo, Thor!“
Sofort hielt Thor inne, die Axt schnellte nicht mehr auf das Holz, stattdessen sah er sich erstaunt um. Einzelne Haarsträhnen fielen ihm dabei ins Gesicht.
„Was machst du denn hier?“ Es klang perplex, nicht gerade freundlich. Automatisch senkte sich die Hand mit der Axt.
„Ich? Ich wollte nur …“ Dylan suchte nach Worten. Wie sollte er bloß erklären, was ihn zu diesem Besuch getrieben
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