Bis dass der Tod euch scheidet
Mentholzigaretten. Auf diese Art und Weise fiel es ihm noch leichter, sich zu entspannen.
Schnell lag der Duft des Tabaks in der Luft, doch der kam nicht nur von seiner Zigarette.
Als er den Kopf drehte, sah er nebenan auf dem Balkon Thor breitbeinig an einem kleinen Tisch sitzen, und er schien ihn schon eine ganze Weile beobachtet zu haben. Auch er hielt eine Zigarette zwischen den Fingern. Sie war allerdings schon fast heruntergebrannt.
„Jetzt behaupte nicht, dass es Zufall ist, dass du ausgerechnet das Zimmer neben mir bewohnst!“, knurrte Dylan sofort gereizt.
Thor hob die Schultern leicht an, drückte seine Zigarette aus und kam dann gelassen auf die Beine. Vor ihm, auf dem Tisch, stand eine Flasche Rotwein, die er sich griff und damit näherkam.
„Ist doch egal oder nicht?“
Sie standen sich gegenüber. Nur die Balkontrennung, die verhältnismäßig niedrig war, trennte sie voneinander. Doch sie waren sich nah genug, so dass Dylan den Geruch des Weines direkt wahrnehmen konnte.
„Es ist nicht egal“, keifte er, dabei spürte er deutlich, dass der Moment gekommen war, um Thor endlich die Meinung zu sagen.
„Du kannst mich mal, okay? Lass mich in Ruhe, lass mich in Zukunft einfach in Ruhe! Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben!“
Er schrie ihm direkt ins Gesicht, doch es befreite ihn. Schlimm war nur, dass Thor seine Drohung nicht für voll nahm, sondern bloß darüber lachte.
„Oh Perk, schlecht gelaunt?“
Augenblicklich sah Dylan zur Seite, doch sofort spürte er Thors freie Hand an seinem Kinn, wie sie seinen Kopf zurückdrehte und sie sich dann fest in die Augen sahen.
„Hat dir unser Telefonat letztens etwa nicht gefallen?“
„Gefallen?“ Dylan riss sich los. „Du hast einfach aufgelegt!“
Thor zuckte mit den Schultern. „Ich hatte das Gefühl, als gäbe es nichts mehr zu sagen.“
Dylan wandte sich um. Zu unangenehm war ihm die Erinnerung an ihre letzte Kommunikation. Wie unglaubwürdig musste seine Ablehnung jetzt klingen? Und in der Tat. Thor zog sich nicht zurück, im Gegenteil. Er schien Dylans abweisendes Verhalten gar nicht ernst zu nehmen.
„Und? Was läuft heute noch bei dir?“, fragte er stattdessen interessiert, zudem schwang er seine schlanken, langen Beine über die Absperrung und stand im nächsten Moment auf Dylans Balkon.
„Nichts …“ Dylans Stimme war kaum hörbar, doch noch immer gereizt. Konnte dieser Mistkerl ihn nicht einfach alleine lassen? Bitte!
„Rein gar nichts?“, erwiderte Thor. Das konnte er sich kaum vorstellen. Er kam noch näher. Dylan wich sofort aus, bis er hinter sich die kühle Hausmauer spürte. Thor war ganz nah. Seine Lippen glänzten. Auf ihnen lag ein Film des süßlichen Weins, den Dylan jetzt noch intensiver roch.
„Du weichst mir aus?“, stellte Thor überrascht fest.
„Allerdings!“ Dylan schob ihn von sich. Es war gerade noch rechtzeitig. Hätte er länger gewartet, hätten sich womöglich ihre Lippen berührt.
„Ich wollte mir einen ruhigen Abend machen. Einen stinknormalen Abend!“ Genervt sah er Thor an. „Heute lass ich mich nicht zu irgendeiner Scheißaktion verleiten! Heute nicht! Du brauchst dir erst gar keine Mühe machen!“
„Hey!“ Thor hob die Hand mit der Flasche, aus der er zuvor einen kräftigen Schluck genommen hatte. „Wer sagt denn, dass ich dich zu irgendwas verleiten will?“
„Irgendeinen Grund wird es ja wohl haben, dass du nebenan wohnst und ohne zu fragen über meinen Balkon steigst oder was willst du sonst hier?“
Thor verstummte. Nachdenklich sah er auf die Weinflasche, die allerdings schon fast vollständig geleert war.
„Vielleicht wollte ich Brüderschaft trinken … mit dir.“
Er blickte wieder auf, direkt in Dylans Augen.
„Brüderschaft?“, wiederholte Dylan abfällig. Er deutete auf die Flasche. „Mit diesem Fitzel Wein willst du dir ein Bündnis mit mir erschleichen?“ Er lachte und schüttelte den Kopf.
„Wer spricht von Wein?“, konterte Thor. Er leerte die Flasche, stellte sie ab. „Bei einer richtigen Brüderschaft wird natürlich Blut getrunken.“
Ungefragte betrat er Dylans Hotelzimmer, in dem nur eine kleine Leselampe am Schreibtisch leuchtete. Dylan folgte. Vielleicht war es wirklich besser, das Gespräch drinnen weiterzuführen. Obwohl … Sein Blick wanderte nach rechts, zu der Tür, die sein Zimmer mit der Nachbarsuite verband. Und die wurde von Tony genutzt. Hoffentlich kam der nicht gerade jetzt auf die Idee nach dem Rechten zu sehen
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