Bis dass der Tod uns scheidet
geschafft«, meinte Iran Shelfly.
Tiny Bateman, in grauem T-Shirt und glänzender blauer Badehose, ließ die Arme zur Seite fallen, er sah aus wie ein fetter Säufer, den man auf dem Bürgersteig vor seiner Lieblingsbar abgelegt hatte. Über ihm stand ein gutgebauter, kupferhäutiger junger Mann mit rasiertem Schädel und einem Dauergrinsen auf den Lippen. Seine Vergnügtheit wirkte eher raubtierhaft, nicht fröhlich, aber Iran versuchte, Tiny wirklich zu helfen.
»Noch drei«, befahl Iran.
»Genug«, widersprach ich.
Tiny seufzte erleichtert auf.
»Er ist erst seit einer halben Stunde dabei«, klagte Iran.
»Morgen schafft er einunddreißig Minuten«, erwiderte ich. »Stimmt’s, Bug?«
Ich streckte eine Hand aus, und Tiny ›Bug‹ Bateman griff zweimal danach, bevor er zupacken konnte. Ich half ihm auf die Beine, er beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und schnaufte schwer.
»Ab unter die Dusche, Junge«, sagte ich zu ihm, doch er hatte alle Mühe, sich aufrecht zu halten und zu schnaufen.
Also wandte ich mich an Iran.
Der Zweiunddreißigjährige trug marineblaue Sweatpants und ein weißes T-Shirt, das seine ausgebildete Muskulatur umspielte wie geschmolzenes Wachs. Einen solchen Körperbau bekam man nur im Knast: Entweder war man darauf gefasst, jemandem in den Arsch zu treten oder in den Arsch getreten zu werden. Er war eins achtundsiebzig – elf Zentimeter größer als ich – und wirkte trotz seines falschen Grinsens angespannt.
»Wie geht’s, Ai Rän«, fragte ich und sprach den Namen so aus, wie er es tat.
»Wird elf Jahre dauern, bis ich ihn so weit habe, in den Ring zu steigen«, meinte der hellhäutige junge Dieb, »aber nur gegen ein Mädchen, das halb so schwer ist wie er.«
»Wie geht’s dir, meinte ich. Wie läuft’s denn so?«
»Boxstudio läuft bestens«, antwortete er ausweichend. »Alle haben ihr Geld gekriegt und halten sich an Gordos Vorgaben. Kommt mir jemand krumm, tu ich so, als rufe ich Sie an. Und ich persönlich, ich halte den Kopf in Deckung, wie Sie gesagt haben.«
»Sag mir Bescheid, wenn du ein Problem hast«, bot ich ihm an, »im Boxstudio oder anderswo.«
Er sah mich fragend an und rümpfte die Nase wie ein Wolf, der sich über den Hauch eines merkwürdigen Geruchs wundert.
»Was denn?«, fragte ich.
»Warum wollen Sie mir helfen, Mr. McGill?«, fragte Iran. Gute Frage. Misstrauen war die erste Lektion, die jeder auch nur halbwegs intelligente Knacki lernen musste.
Ein Jahrzehnt zuvor hatte sich ein Mann namens Andrew Lodsman eine Skimaske über den Kopf gezogen und mitten in der Stadt am helllichten Tag einen Juwelenkurier ausgeraubt. Das Problem war Amy, eine ehemalige Freundin – noch nicht ehemalig, als er den Überfall geplant hatte. Amy plauderte bei den Bullen, und die machten sich auf die Suche nach Andy. Die Steine waren, für das bloße Auge nicht sichtbar, lasermarkiert. Andy hatte mir einen kleinen Stein gegeben, ich versteckte ihn in Irans Sockenschublade, als er unten in Philadelphia war und selbst einen Überfall abzog.
Jemand rief wegen des Überfalls in Philly anonym bei der Polizei an, und die Bullen fanden den dreikarätigen Diamanten – neben ein paar anderen Dingen – zwischen Andys Socken. Andys Beteiligung an dem Raubüberfall wurde in Zweifel gezogen, und Iran landete wegen zwei Verbrechen im Knast – eines hatte er begangen, das andere nicht.
Das war vor langer Zeit gewesen, ich war seitdem ein anderer geworden. Ich versuchte, meine Missetaten wiedergutzumachen, indem ich dem jungen Mr. Shelfly aushalf. Es war nur eines von einem Dutzend privater Projekte, an denen ich dran war.
Er wusste nicht, dass ich für seinen sechsjährigen Staatsaufenthalt verantwortlich gewesen war. Das musste er auch nicht wissen.
Das Handy in meiner Tasche vibrierte, und statt auf Irans Frage einzugehen, hob ich ab.
? Klient IB stand auf dem Display: möglicher Klient im Büro.
Ich schrieb 20 zurück, was bedeuten sollte, dass ich in zwanzig Minuten da sein würde.
»Ach, ich arbeite nur an meinem Karma«, antwortete ich auf Irans Frage und spürte, wie sehr die Worte schmerzten.
Er verstand nicht, was ich meinte, war jedoch abergläubisch genug, um nicht weiter darauf einzugehen. Im Knast lernte man als Erstes, misstrauisch zu sein, dann mit der Angst umzugehen und als Letztes, Respekt vor einer höheren Macht zu haben.
Ich schaute kurz in der Dusche nach, bevor ich ging. Bug stand unter dem Wasserstrahl und hielt sich mit
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