Bis dass der Tod uns scheidet
schon einige schlimme Dinge zugestoßen, Mr. McGill«, erklärte sie. »Sehr schlimme. Die Menschen kämpfen. Manchmal töten sie. Dort, wo ich herkomme, kümmert man sich zuerst um sich selbst. Cyril und ich sind gut miteinander klargekommen. Es gab einen vorehelichen Vertrag, und ich verstehe nichts von seinen Geschäften. Wir streiten uns nie. Warum sollte er böse von mir denken?«
»Und was hat sich verändert?«
»Cyril war immer recht kräftig«, sagte sie. »Doch in letzter Zeit hat er abgenommen und schläft in einem anderen Schlafzimmer. Vor ein paar Wochen bin ich eines Nachts den Flur entlanggegangen, um ihm einen Besuch abzustatten, und habe ihn am Telefon reden hören. Ich konnte durch die Tür nicht verstehen, was er sagte, aber er war definitiv in ein vertrauliches Gespräch vertieft.«
»Und Sie glauben, es handelt sich um eine Frau.«
»Ja.«
»Und deshalb machen Sie sich Sorgen, er könne Sie umbringen.«
»Er sagt, er sei der Grund, warum seine beiden anderen Frauen tot sind«, erklärte sie. »Bekämen Sie es da nicht mit der Angst?«
»Benimmt er sich anders?«
»Er schläft in einem anderen Zimmer«, wiederholte sie und würzte die Worte mit Verbitterung. »Er nimmt ab und telefoniert die ganze Nacht, fast jede Nacht.«
Gegen ihre Logik konnte ich nichts einwenden, auch nicht gegen das Geld auf dem Tisch.
»Das ist eine Menge Holz«, sagte ich. Sie wusste, was ich meinte.
»Ich zahle für das, was ich brauche«, erwiderte sie. »Das ist alles.«
»Und was soll ich dafür tun?«, fragte ich.
»No’man meinte, Sie seien ein Mann, der Dinge regelt«, antwortete sie.
»Früher mal. Ich habe mich seitdem gebessert. Ein wenig. Was wollen Sie denn geregelt haben?«
»Keine Ahnung. Ich meine, ich will ihn nicht umbringen lassen. Vielleicht, vielleicht wenn Sie mit ihm reden und ihm sagen, dass Sie auf mich aufpassen.«
»Wenn ich das tue, hegt er vielleicht auch mir gegenüber böse Gedanken.«
»Haben Sie Angst?«
Ihre Frage brachte mich zum Schmunzeln. Mein Schmunzeln zauberte ihr ein Grinsen auf die Lippen. Wir glichen uns zwar nicht gerade wie ein Ei dem anderen, aber wir waren aus demselben Holz geschnitzt.
»Ich verlange hundert Dollar die Stunde«, sagte ich und griff nach dem sirenenhaften Geldbündel. »Ich nehme dieses Geld als Vorschuss an mich.«
»Hundert Dollar?«
»Ja.«
»Das ist zu viel.«
»Ihr Leben ist Ihnen das nicht wert?«
»Keiner, der solche Arbeit erledigt, ist hundert Dollar die Stunde wert. No’man verlangte dreihundert am Tag.«
»No’man ist tot.«
»Mit hundert Dollar die Stunde bin ich einfach nicht einverstanden«, maulte Chrystal Tyler.
»Wie wär’s mit neunundneunzig?«, bot ich an. »Für jede Stunde, die ich arbeite, nehme ich mir einen Hunderter und lege einen Ein-Dollar-Schein beiseite.«
»Das ist immer noch ’ne Menge, aber wenigstens nicht hundert Dollar die Stunde. Da, wo ich gelebt habe, könnte ich zehn Männer für das Geld anheuern.«
»Und keiner von denen käme auch nur durch Cyril Tylers Tür.«
»Na gut«, willigte sie zögernd ein. »Neunundneunzig. Aber ich erwarte, dass Sie auch belegen können, was Sie da tun.«
»Haben Sie ein Foto von Ihrem Mann?«
Die gelbe Tasche war die reinste Trickkiste. Alles Mögliche förderte sie daraus zutage. Chrystal zog ein verknittertes 12 x 20 cm großes Foto hervor, das so aussah, als sei es bis vor kurzem in einen Bilderrahmen eingeklebt gewesen. Darauf war sie zu sehen, in Hellrot, Arm in Arm mit einem untersetzten Mann in hellbrauner Hose und einem cremefarbenen Pullover. Sie beugte sich vor und lachte lauthals, während er schüchtern dastand.
»Das war vor seiner Diät. Manche Leute sehen dürr besser aus, aber wissen Sie, manchmal ist das durchaus nicht zum Besseren, wenn man abnimmt«, sagte sie mit ihrem vielsagenden, verächtlichen Grinsen. »Manche Menschen sind zum Dicksein geboren.«
Das war das einzig uneingeschränkt Wahre, das sie je zu mir sagen sollte.
4
Tiny ›Bug‹ Bateman war nicht nur ernsthaft außer Form, er war auch einer der weltgrößten Genies in Computertechnologie und Technik. Er hatte für mich Tools entwickelt, bei denen die Generale im Pentagon ihre helle Freude gehabt hätten, da bin ich mir sicher.
Ich brauchte nur ein paar Such-Templates zu installieren, die er entwickelt hatte, um seinen privaten Internetzugang zu nutzen. Nachdem ich Chrystal zur Tür gebracht hatte, gab ich die Namen der Personen ein, nach denen ich suchte, und in
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