Bis dass der Tod uns scheidet
links, so als würde vielleicht jemand neben ihr sitzen und sie dazu drängen fortzufahren.
»Darf ich hier rauchen?«, fragte sie und wandte sich wieder mir zu.
»Sicher.«
Sie ging ganz rituell dabei vor, öffnete die Handtasche, zog die rote Schachtel heraus, klopfte eine Zigarette heraus, löste ein Feuerzeug in Form einer Patronenhülse von einer Kette, die bislang unter der dünnen Seide ihres Kleids verborgen gewesen war. Als sie sich Feuer gab, hoffte ich, sie würde nicht bemerken, wie meine Nasenflügel sich weiteten. Tabakqualm weckt das Verlangen in mir. Verlangen ist eine Emotion, die man sich als guter Detektiv besser nicht anmerken lassen sollte.
»Mord?«, wiederholte ich, um wieder zum Thema zurückzukommen.
»Eines Nachts vor etwa zwei Jahren hatte ich etwas Sangria mit Wodka aufgepeppt. Die Mischung war stark und süß, und Cyril trank mehr als sonst. Dann kam er ins Plaudern. Er hat mir erzählt, Alondra und er hätten getrunken und sich dann immer wie Hund und Katz gestritten. Eines Tages waren sie auf seiner Jacht und haben sich in die Wolle gekriegt. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war das Boot weit draußen auf See. Er hatte eine Schnittwunde am Kopf, und sie war verschwunden. Ihre Leiche wurde nie gefunden.«
»Und er hat zugegeben, sie umgebracht zu haben?«
»Nein. Er sagte, er würde sich an nichts erinnern. Ein Jahr später hat er Pinky Todd geheiratet. Sie haben nicht getrunken und nicht gestritten, und er dachte schon, es sei alles in Ordnung, bis sie ihm eines Tages eröffnete, sie wolle sich scheiden lassen und verlange fünfzig Millionen, sonst würde sie über ihn und seine Freunde ausplaudern, dass sie an der Wall Street Insidergeschäfte durchgezogen hätten.«
»Und er hat sie umgebracht?«
»Er willigte ein, ihr fünfzehn Millionen zu geben, ließ alles zu Papier bringen. Doch eines Tages, nur ein paar Wochen darauf, ging sie nach dem Shoppen die 5th Avenue entlang, und irgendein verrückter Obdachloser zog ihr einen Betonbrocken über den Kopf. Sie starb gleich an Ort und Stelle.«
»Und was ist aus dem Mörder geworden?«, fragte ich. Bei dem Wort »Mörder« musste ich an Harris Vartan denken. Mir ging auf, dass ich eher auf seine Seite gehörte, nicht auf die von Chrystal Tyler.
»Er war abgehauen.«
»War es Nacht?«
»Mh-mh. Helllichter Tag, und die Straße war belebt.«
»Das klingt nicht gut, aber einen solchen Mord zu organisieren dürfte ziemlich schwierig sein.«
»Cyril glaubt, er sei es gewesen.«
»Er glaubt es«, meinte ich. »Wie soll das denn funktionieren?«
»Er sagt, er glaubt, sein Verstand bringt diese Leute um. Wenn er jemanden hasst, dann kommt die Person einfach um.«
Wieder musste ich an Harris Vartan denken. Er hatte die Art von Verstand, die eine todbringende Wut aufbringen konnte. Eines Tages würde ein Mann wie er schlecht von mir denken, und das würde mich in ein frühes, womöglich namenloses Grab bringen.
Bei dem Gedanken, dass Vartan bald aufkreuzen würde, verlor ich das Interesse an Chrystal. Ich beschloss, sie aus dem Büro zu lotsen. Sollte sie sich der Phantasie, die ihr Gatte wohl hegen mochte, doch selbst stellen.
Da griff sie in die gelbe Tasche und zog ein eindrucksvolles Bündel Hunderter heraus. Sie beugte sich vor und legte das Bündel in Griffweite auf den Schreibtisch.
»Zwölftausendsechshundert Dollar«, sagte sie und pustete Qualm aus. »Mehr kann ich mir nicht leisten. Ich habe noch mehr, aber das brauche ich für den Fall, dass ich schleunigst verschwinden muss.«
Meine Nasenflügel bebten deutlich, und ich runzelte die Stirn.
»Ich hatte ein Collier mit Rubinen und Smaragden, das mir Cyrils Mutter geschenkt hat«, erklärte sie. »Das habe ich Sophia Nunn von den Nunns aus Indiana verkauft.«
Zwei meiner Kinder waren auf dem College und eines hatte gerade die Highschool geschmissen. Meine Miete war nicht hoch, musste aber trotzdem bezahlt werden. Und dann wollte noch Vartan aufkreuzen und mir ein Angebot machen. Mit Chrystals Geld in der Tasche konnte ich ihm vielleicht absagen.
Ich fing an, zwischen den Fingern zu schwitzen.
Dennoch griff ich nicht nach dem Geld.
»Sie sagten, es sei zwei Jahre her, dass Cyril und Sie diese Sangria getrunken haben?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern.
»Und warum sind Sie nicht damals zu mir gekommen?«
Ihr leerer Gesichtsausdruck war das reinste Naturschauspiel. Damit deutete sich eine Verschiebung in unserem Gespräch an.
»Mir sind im Leben
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