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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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in einem Keller in Queens stehen.«
     
    Ich bestellte einen Cognac, Twill einen grünen Tee. Wir unterhielten uns noch eine Weile. Ich versprach, auf das Geld aufzupassen, das er bisher eingenommen hatte, und er akzeptierte meine Treuhänderschaft. Wieder meinte er, er könne nicht erkennen, was an dem, was er da getan hatte, falsch gewesen sei. Ich bat ihn, mir einfach nur zu vertrauen.
    Als ich vorschlug, dass wir gehen sollten, wurde er ein wenig unruhig und meinte: »Lass mich als Erster gehen, Pops. Gib mir fünf Minuten, dann kannst du kommen.«
    »Wozu?«
    »Ich hab da draußen vier Kerle, die Beat Murdoch auflauern sollen. Du weißt schon, mit Waffen und all dem Scheiß.«

51
    Unterwegs zu dem Apartment, das mir Aura besorgt hatte, rief ich zu Hause an. Nach dem siebten Klingeln ging Katrina dran.
    »Hallo?«
    »Ist der alte Mann noch immer auf eigenen Beinen unterwegs?«
    »Seine Blutwerte sind erstaunlich, Leonid. Elsa und er sind gerade bei den Ärzten im Krankenhaus, um alles noch mal durchzugehen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Remission.«
    »Nein.«
    »Remission.« Die Wiederholung des Wortes bewies, wie gut sich Katrina in meiner Seele auskannte. Sie wusste um meine Ängste und mein Misstrauen und auch, dass ich mich auch heute noch nicht sehr weit von meiner frühen Jugend entfernt hatte, als mein Vater uns verließ und meine Mutter kurz darauf starb. Sie wusste, dass es bei mir nötig war, das Wort mit genau dem dazu passenden emotionalen Ton zu wiederholen.
    »Er ist sehr gesund, Leonid. Er ist wieder bei Kräften.«
    Ich schloss die Augen und stand stocksteif mitten auf dem geschäftigen Bürgersteig. Leute rempelten mich an und schimpften, aber mir war das egal. Diese Nachricht war das Wundervollste und daher das Gefährlichste, was mir im letzten Jahr widerfahren war.
    Remission. Überleben, wenn die Chancen schlecht stehen. Jemand, den du liebst, verschwindet nicht, stirbt nicht.
    »Leonid«, sagte Katrina durch den Bluetooth-Stecker in meinem Ohr.
    »Ich muss los, Katrina.«
    »Aber …«
    »Ich muss los.«
    »Ich möchte mit dir über Dimitri sprechen.«
    »Falls du dir Sorgen machst, lass es. Twill und ich finden, es geht ihm gut. Und wenn du dir Sorgen um seine Freundin machst … Tja, die mach ich mir auch. Aber was willst du machen, wenn ein Mann sich derart verknallt hat?«
    »Er ist noch ein Junge.«
    »Ja, vielleicht. Aber sie ist definitiv eine Frau.«
    »Leonid.«
    »Wenn ich jetzt nicht auflege und meine Sinne beisammen halte, bin ich wahrscheinlich vor morgen tot. Hast du verstanden?«
    »Wir sprechen beim Frühstück weiter.«
     
    Was ich zu Katrina gesagt hatte, stimmte vollkommen. Das Hochgefühl angesichts von Gordos möglichem Überleben hatte all meine natürlichen Abwehrmechanismen durcheinandergebracht. Ich wollte feiern, in den Straßen tanzen, eine ganze Flasche Brandy leeren. Ich hatte diesen Boxtrainer betrauert, wie die Apostel Jesus betrauert hatten. Er hätte genauso gut tot und begraben sein können, doch nun war er womöglich auferstanden und lebendig.
    Ich blieb an einer kleinen braunen Treppe auf der 18th zwischen 6th und 7th Avenue stehen, setzte mich und versuchte, mir klarzumachen, dass dies nur eine Pause zwischen zwei Runden war, dass mein Gegner bisher nur mit mir gespielt hatte und dass die Chance, k. o. zu gehen, sehr real und höchst wahrscheinlich war.
    Es gibt keinen Sieg bis zum endgültigen Sieg , hatte mein Vater immer gesagt. Seine Worte kamen mir in den Sinn, und ich seufzte. Lass deine Genossen ruhig in den Unterständen und Schützengräben feiern, aber vergiss nicht, dass der Krieg noch immer tobt und dein Feind seine Bajonette schärft, noch während deine Freunde lachen und singen .
    Diese Worte brachten mich auf die Beine. Sie trieben mich die Straße entlang auf eine Lösung zu, die bestenfalls unsicher war.
     
    Ich war sieben Blocks von meinem Ziel entfernt, als mal wieder mein Handy klingelte. Ich besah mir den kleinen blauen Bildschirm und nahm den Ruf an.
    »Hi, Z.«
    »Mr. McGill.«
    »Was gibt’s?«
    »Finden Sie mich schön?«
    Ich blieb stehen.
    »Wie bitte?« Ich musste grinsen – ich spürte es.
    »Ich möchte wissen, was Sie von meinem Aussehen halten.«
    Ich holte tief Luft durch die Nase und ging weiter.
    »Zephyra«, begann ich, »Schönheit ist das hässliche Entlein von kleiner Cousine, die sich in der Ecke verkriecht, seit du ins Zimmer gekommen bist. Wenn du meine Freundin wärst, würde ich die Fenster

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