Bis dass der Tod uns scheidet
»Shit.«
»Kann ich was tun?«, fragte ich ihn.
Die Frage schien den Killer auf eine Idee zu bringen.
»Verzeihen Sie mir.«
»Wofür?«
»Ich habe Menschen umgebracht«, erklärte er. »Männer und Frauen. Auch Kinder. Wenn sich mir jemand in den Weg stellte oder zu nahe kam. Ich, ich, ich sehe jetzt, genau jetzt, dass das alles falsch war. Ich hatte kein Recht …«
Er hustete, Blut drang aus der Lunge. Er schluckte, so als sei das nur eine kleine Unpässlichkeit.
»Ich hab mir nie Sorgen darüber gemacht, wen ich umbringe, hab nie drüber nachgedacht. Ich hab das so gemacht, wie Mama die Hühner schlachtete oder Daddy die Schweine. Es war mir egal, doch jetzt spüre ich es, es war falsch. Ich spüre es. Verzeihen Sie mir.« Mit erstaunlicher Kraft packte er mich am Unterarm.
»Ich verzeihe Ihnen.« Was hätte ich denn sonst sagen können? »Aber Sie wissen, Beichten befreit die Seele. Vielleicht können Sie mir helfen?«
»Wie?« fragte er. Sein Blick verschwand in einer leeren Zukunft.
»Wer hat Sie angeheuert, um Chrystal umzubringen?«
Diesen Augenblick wählte Bisbe, um zu sterben. Sein letzter Atem schlug mir ins Gesicht, jeder Lebensaspekt wich aus ihm.
Ich wartete einen Augenblick, um seinem Dahinscheiden das nötige Gewicht zu verleihen, dann wandte ich mich wieder Johnny Nightly zu.
»Tut mir leid, Johnny.«
»Du hast mir gesagt, wie gefährlich er war, und ich hab nicht zugehört«, erwiderte Johnny. »Ich bin der größere Trottel.«
53
Ich wählte die Sondernummer, und Hush ging dran: »LT?«
»Hi, Hush, kennst du noch immer den Saubermann, Digger?«
»Wer ist tot?«
»Bisbe.«
»Ohne Scheiß?« So viel Emotion hatte ich in der Stimme dieses ehemaligen Killers noch nie wahrgenommen – zumindest außerhalb seiner vier Wände. »Und du hast ihn erledigt?«
»Johnny Nightly war’s.«
»Und er lebt noch?«
»Ja, aber er ist verwundet.«
»Gib mir die Adresse und lass die Schlüssel an der Rezeption deines Bürohauses. Digger wird in zwei Stunden da sein. Ich leg die achtzehntausend Dollar vor. Kannst du mir später zurückzahlen.«
Der Saubermann würde die Schlüssel holen und innerhalb von zwei Stunden hier erscheinen, Bisbes Leiche würde verschwinden – für immer. Digger war einer der vielen Spezialisten, die auf der sprichwörtlichen anderen Seite von New York arbeiteten. Ich hatte seiner Dienste noch nie bedurft – schon wieder ein erstes Mal.
»Juanita Horn«, sagte sie, als ich das zweite Telefonat führte.
»Darf ich Johnny vorbeibringen, Schätzchen?«
»Welche Verletzung?«
Angelique Arabesque holte Johnny und mich vor dem Gebäude ab, in dem Bisbe auf seine Beerdigung wartete. Sie setzte mich am Tesla Building ab und fuhr Johnny dann nach Harlem, wo Juanita ihn gesundpflegen würde.
»Soll ich zurückkommen, wenn ich Johnny abgesetzt habe?«, bot Angelique an.
»Nein, Schätzchen«, entgegnete ich. »Das Geschäft muss ich allein erledigen.«
Sie sah mich fragend an und schnaubte leise. Zwischen mir und der Fahrerin hatte es schon immer gefunkt. Ich war nur nicht in der Stimmung für weiteren menschlichen Kontakt – es sei denn, bei diesem Kontakt ginge es um Cyril Tylers Blut.
Ich tobte. Ich war nicht wütend, ich war verrückt vor Rachsucht. Cyril Tyler hatte mich lange genug an der Nase herumgeführt. Er hatte mich lächerlich gemacht. Ich bin nicht die Art Mann, die sich verarschen lässt.
Ich holte Werkzeug und Papiere aus dem Büro, ließ die Schlüssel zu dem Apartment in der 31st Street an der Rezeption zurück und schnappte mir ein Taxi zu Cyril Tylers Domizil.
Ich brauchte dem Türsteher nur den gefälschten Ausweis eines städtischen Bauinspektors unter die Nase zu halten und den Fahrstuhl in den siebzehnten Stock zu nehmen. Von da aus nahm ich die Feuerleiter am Ende des Flurs und kletterte zum leeren achtzehnten Stock hinauf. Mit Hilfe eines Enterankers und eines dicken Seils stieg ich die Wand zum Dach hoch. Es kostete mich einige Mühe, und ein paarmal verlor ich fast den Halt. Aber Wahnsinn und Wut durchfuhren meine Sehnen – das und echter meines-Vaters-Nichtgott-verdammter Hass.
Ich überquerte den Rasen, ohne aufgehalten zu werden. Die Tür zu Arthur Pelhams Verandabüro stand offen.
Ein leichtes Spiel. Digger konnte mit mir in einer Nacht gleich 36 000 Dollar verdienen.
»Mr. McGill«, sagte Ira Lamont vom Eingang zu dem grell pinkfarbenen Flur aus. »Haben Sie Ihre Pistole mitgebracht?«
»Für Sie brauche ich die
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