Bis die Daemmerung uns scheidet
kaum«, sagte ich. »Du wolltest, dass ich Michael umbringe, nicht wahr? Das ist bestimmt so ein Stalker-Ding: ›Wenn ich ihn nicht haben kann, soll ihn auch keine andere kriegen‹, stimmt’s? Ich bin nur deine Waffe. Mann, Mädchen, mach mal ’ne Therapie.«
Sie grinste mich höhnisch an. »Das ist alles, wofür du zu gebrauchen bist, Collins – als Waffe«, sagte sie. »Und das ist alles, wofür man dich je brauchen wird. Zum Beseitigen von Feinden.«
»Das ist mir gut genug«, sagte ich. »Aber du hast es gerade auf Platz eins meiner Feindesliste geschafft. Schlecht für dich. Findest du nicht?«
Sie drückte zu. Eves Augen quollen heraus und sie sah mich flehend an. Dann blickte sie zu Michael, der die Stufen vor dem Käfig hinunter auf sie und Glory zurannte.
Ich spürte, wie ihn Glorys Macht und ihre Blendung trafen wie ein Güterzug. Michael wurde langsamer … und blieb stehen. Er streckte die Hand nach Eve aus, als würde er sich unter Wasser bewegen … Gloriana lachte leise – dieses süße, unschuldige kleine Lachen, das ich früher so hübsch fand – und sagte: »Ich hasse es, wenn du sie so ansiehst, weißt du? Was für eine Verschwendung. Sie verdient dich nicht, Michael.« Und da wurde mir klar, dass sie Eve vor seinen Augen umbringen würde.
Und Michael würde das nicht verhindern können.
Brauchte er auch nicht. Eve fummelte an der Seitentasche ihres Gothic-Kleides herum. Ich sah etwas Silbernes aufblitzen und eine Sekunde später rammte sie es unter ihrem Arm hindurch in Glorianas Brust.
»Verdammt«, sagte ich, denn sie hatte wohl beim ersten Versuch schon voll ins Schwarze getroffen. Das war nicht leicht, selbst wenn man einem Vampir gegenüberstand und sein Ziel genau erkennen konnte.
Gloriana ging zu Boden und zog Eve mit sich. Ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, ihre Augen waren hellrot und quollen über vor Zorn. Noch immer versuchte sie, ihre Hand zu schließen und Eves Luftröhre zu zerquetschen.
Michael machte einen Satz nach vorne und rammte den Silberpfahl noch fester in Glorys Brust. Soweit ich sehen konnte, stieß er ihn ganz bis in den Betonfußboden unter ihr. Dann zerrte er Eve weg, legte den Arm um sie und hielt sie fest, als würde eher die Welt untergehen, als dass die beiden sich wieder trennen würden.
Die Vorstellung war irgendwie schön.
Und ich beobachtete, wie Gloriana – die hübscheste und gefährlichste Vampirin, die ich je gesehen hatte – ganz still wurde, während das Silber allmählich ihren Körper verbrannte und entfärbte, sie von innen heraus tötete.
Sie war erledigt.
Ich ließ ein kleines bisschen Wut an die Oberfläche dringen, nur ganz wenig, und ich spürte, wie sie zu warmer, beinahe Furcht einflößender Genugtuung verrauchte.
Und Gott, das fühlte sich vielleicht gut an.
»Shane?«
Claire hatte nicht mitbekommen, was in den letzten paar Sekunden geschehen war und hatte Eve aus den Augen verloren – zu viele rennende, schreiende Menschen. Als sich das Chaos ein wenig legte, sah sie Eve auf Michaels Schoß auf dem Betonfußboden sitzen. Neben ihnen lag Gloriana, die halbwegs am Boden festgenagelt war. Silber, erkannte Claire. Gleich wäre sie mausetot.
Und Claire stellte fest, dass sie darüber nicht besonders traurig sein konnte. Die Hauptsache war, dass es Michael und Eve gut ging und dass Shane noch immer im Käfig stand und Glorys sterbenden Körper anstarrte. Sein Gesichtsausdruck war leer, abgesehen von seinen Augen. In ihnen lag etwas Heißes, Wildes, Seltsames. Und dann, kurz darauf, etwas Friedvolles.
Myrnin klammerte sich noch immer an sie. »Hey!«, sagte sie und bewegte den Arm, um ihn abzuschütteln. »Lassen Sie schon los! Es geht mir gut!«
Er runzelte die Stirn und bemühte sich, alles gleichzeitig im Auge zu behalten. »Ich glaube, wir sollten von hier verschwinden«, sagte er. »Ich kann einfach da drüben ein Loch in den Backstein schlagen. Ja, wir sollten jetzt gehen. Siehst du, deinem Jungen geht es gut. Alles ist gut. Nur Glory geht es offenbar nicht gut, aber mal ehrlich – wen kümmert das schon? Mich ganz bestimmt nicht.«
»Lassen Sie los!«
»Nein«, sagte Myrnin. »Ich trage die Verantwortung für dich. Und das hier ist immer noch gefährlich. Ich weiß nicht, wo Bishop ist, und ich möchte nicht, dass du allein bist, solange wir ihn nicht gefunden haben.«
Claire warf die schwarze Tasche, die sie dabeihatte, auf den Boden, griff hinein und zog ein schmales, silberbeschichtetes Messer
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