Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
Etwas, das er nicht in die Finger hätte bekommen sollen. Etwas, wovon keiner wissen durfte.
Vielleicht hätte es sich noch in Ordnung bringen lassen, wenn Ray junior den Kopf eingezogen und gewartet hätte, dass die Sache mit den Albanern und den Türken sich beruhigte. Stattdessen wurde er mit überhöhter Geschwindigkeit auf der M40 geblitzt. Die Bullen verfolgten ihn. Ray junior war schneller. Eine Stunde später fanden sie seinen Porsche, geparkt vor einer Bar in Hammersmith. Sie wollten ihn drinnen durchsuchen. Ray junior sagte ihnen, sie sollten sich verpissen. Die Bullen mögen es, wenn man ihnen so kommt. Ihre Augen mussten wahrlich aufgeleuchtet haben, als sie unter dem Ersatzrad acht Kilo Kokain fanden.
Ray junior verlor die Nerven. Zog die Halbautomatische aus dem Gürtel. Nach Rays Aussage ging der Schuss unbeabsichtigt los. Dem Anklageprotokoll zufolge war es ein gezielter Mordversuch.
Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt, nur dass Ray Garza die ganze Episode neu schreiben und seinen Sohn heraushauen will. Aber das hier ist ein Ding, aus dem er weder mit Bestechen noch mit Bitten oder Bluffen herauskommt. Und die Geschichte wird nochmals ganz neu geschrieben werden, sobald das Ballistiklabor die Waffe untersucht hat, mit der Ray junior herumfuchtelte. Es geht hier um Kratzer im Patronenlager der Waffe. Verräterische Spuren. Vernichtende Beweise.
Der Junge ist gestern auf Kaution freigekommen. Daddy hat zwei Millionen lockergemacht, und Ray junior ist wahrscheinlich sofort zu seinen feinen Freunden gelaufen und hat sich damit gebrüstet, wie cool er seine erste Nacht im Knast überstanden hat. Wie er die Bude aufgemischt hat wie der Rattenkönig.
Der tollpatschige Idiot hat keine Ahnung, welche Kette von Ereignissen er in Gang gesetzt hat und wie viel Kacke hier am Dampfen ist. Es ist eine Reisenschweinerei, und Murphy muss sie beseitigen, bevor es jemand mitkriegt.
Er schüttelt. Schüttelt noch einmal. Zieht den Reißverschluss hoch. Wäscht sich die Hände.
Dessie wartet vor der Tür, steht Wache wie ein treuer Labrador, nur mit weniger Intelligenz.
Murphy hat einen Plan, aber er braucht Macbeth dazu.
»Was soll ich machen?«, fragt Dessie.
»Überzeuge ihn.«
»Und wenn er den Job macht?«
»Dann werde ihn los.«
Murphy geht zu seinem Tisch zurück und bestellt zum Nachtisch eine Crème Caramel, die nicht auf der Karte steht, aber der Chefkoch macht sie ihm. Das sollte er auch, denkt Murphy. »Schließlich gehört mir der Scheißladen.«
11
Sami hat eine Verabredung. Es ist Teil des Deals, der an seine vorzeitige Entlassung geknüpft ist – das monatliche Pow-wow mit einem Bewährungshelfer.
Er ist spät dran. Hat den Termin verpasst. Er sitzt auf einem Plastikstuhl im Wartezimmer, starrt auf eine Topfpflanze, die ohne Licht und Blätter zu überleben scheint.
»Hallo, Mr Macbeth«, sagt sie. »Darf ich Sie Sami nennen?«
Sie ist eine Frau, Miranda Wallace. Gut in Form. Mitte vierzig. Trägt einen grauen Anzug mit einem rosa Band, das an ihrem Revers steckt. Sie nennt sich selbst Ms, was Sami vermuten lässt, dass sie lesbisch sein könnte, aber dafür ist sie eigentlich zu scharf.
Sie sitzen in ihrem Büro bei offener Tür. Zuerst kommt der Papierkram. Zwanzig Fragen. Notizen. Dann lehnt sie sich endlich zurück und schiebt ihren Pony vom linken Auge weg.
»Wie fühlen Sie sich so draußen?«
»Gut.«
»Haben Sie irgendwelche Anpassungsschwierigkeiten?«
»Nein.«
»Was haben Sie für Pläne?«
»Ich will ein Rockstar werden.«
»Das ist eher eine Ambition als ein Plan. Vielleicht sollten Sie ein etwas realistischeres Ziel finden.«
»Ich spiele Gitarre.«
»Das kann man im Leben immer mal gebrauchen.«
Sie lässt es klingen wie Handarbeit.
Sami fängt an, ihr zu erzählen, wie er früher gelegentlich bei Indie-Bands aus den Staaten mitgespielt hat, die einen Hit gelandet hatten und dann dachten, sie könnten damit das Wembley-Stadion füllen.
»Was für eine Art Musik?«, fragt sie.
»Rock mit Blues durchtränkt«, sagt Sami. »Laut und wild.«
»Schnell leben, jung sterben.«
»Und eine schöne Leiche abgeben.«
»Hört sich toll an«, sagt sie.
Sami ist überrascht. Vielleicht ist sie ein Rockmieze. »Wann haben Sie zum letzten Mal eine Band live gesehen?«, fragt er.
»Ich habe im Sommer REM im Wembley-Stadion gesehen.«
Er ist beeindruckt.
Sie reden eine Weile über Musik, dann lenkt sie ihn zurück zu seinen Zukunftsplänen. Sie will etwas
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