Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
stehen hier und warten, verdammt noch mal.«
Dessie schmeißt das Handy auf den Asphalt, wo es in ein Dutzend Teile zerschellt.
»Kommt er?«, fragt Sami.
»Nein, er kommt verdammt noch mal nicht.«
Sami grübelt einen Moment darüber nach. Für Kriminelle gilt wohl nicht dieselbe Regel wie für die Spezialeinsatztruppe SAS : Lasst nie einen Mann zurück.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragt er.
»Wir gehen zu Fuß.«
Zwei Polizeiautos kommen ihnen auf der Farringdon Street entgegen und drängen andere Fahrzeuge mit ihren heulenden Sirenen zur Seite. Sami und Dessie sind zu auffällig. Sie müssen sich von den Hauptverkehrsstraßen fernhalten. Einen Ort finden, an dem sie sich verstecken können. In Deckung gehen.
»Wir könnten die U-Bahn nehmen«, schlägt Sami vor.
»Ich fahr nicht mit der Bahn«, sagt Dessie.
»Warum nicht?«
»Ich tu’s einfach nicht.«
»Wir haben ein bisschen wenig Auswahl, um auf persönliche Vorlieben Rücksicht zu nehmen.«
Dessie grunzt. Sami nimmt es als Zustimmung.
Sie überqueren die Straße, laufen zwischen Autos hindurch und vermeiden Blickkontakt mit den Fahrern. Sami könnte als Rucksacktourist durchgehen, aber Dessie sieht aus wie ein deutscher Wanderer mit seinen in die Stiefel gesteckten Hosen. Er schimpft leise auf Sindbad.
Dann bleibt er plötzlich stehen. »Kannst du vielleicht verdammt noch mal an mir dranbleiben.«
»Die Tasche ist schwer«
»Sei nicht so eine Tunte.«
»Ich trage hier Zeug, das jederzeit hochgehen kann. Ich hab nicht vor, als Straßengemälde zu enden.«
Dessie nimmt die Reisetasche und schlingt sie über seine Schulter. Er gibt Sami den Rucksack mit den Drogen, dem Geld und der Halbautomatischen. So ist es schon viel besser.
Sami macht noch einen Vorschlag. »Wir sollten uns besser trennen. Sie werden nach uns beiden suchen. Wir sind weniger auffällig, wenn wir allein weitergehen.«
Dessie sieht ihn zweifelnd an. »Ich lass dich nicht aus den Augen, Arschloch.«
»Dann sollten wir wenigstens auf verschiedenen Straßenseiten gehen.«
Dessie ist einverstanden. Sami überquert die Straße und geht im Laufschritt an einem Oxfam-Laden vorbei, an einem Weinladen und einem Reisebüro mit Schildern, die auf dem Bürgersteig aufgestellt sind. Für achtunddreißig Eier könnte er nach Mailand fliegen. Fünfhundert, und er kann eine Woche auf Barbados verbringen. Da wäre er jetzt gern – in der Karibik Piña Coladas trinken, während eine Inselschönheit, die aussieht wie Beyoncé, mit ihren Titten Kokosnussöl auf seiner Brust verreibt.
Schnellen Schrittes biegt Sami in die Norwich Street ein. Dessie ist nah. Atmet schwer. Sein Kopf sieht aus wie der einer Schildkröte, die gleich aus ihrer Schale platzt.
Viele Gebäude haben Messingschilder, auf denen die Namen von Anwaltskanzleien stehen. Samis Verteidiger hatte sein Büro auch hier in der Gegend. Er war Kronanwalt. Das setzt dem Ganzen glatt die Krone auf.
Das rot-blau-weiße U-Bahn-Schild ist genau vor ihnen, man kann es gerade noch über dem Dach eines Blumenkarrens erkennen. Chancery Lane Station. Sie verschwinden die Stufen hinunter ins Kühle und Dunkle. Es ist ein Loch, um sich darin zu verstecken. Und gleichzeitig ein Fluchtweg.
21
Bones McGee starrt auf die Überreste. Das Asservatenlager im Old Bailey ist gesprengt worden. Das Dach ist teilweise eingebrochen, und ein Waschbecken aus den Toiletten im oberen Stockwerk liegt inmitten des durchnässten Stucks und der zerbrochenen Deckenplatten.
Das Wasser hat den Großteil des Schadens verursacht. Es tropft immer noch aus verbogenen Rohren die Wände herunter.
Sein Magen knurrt. Er lässt Tony Murphy einen Gefallen einfordern, und das hier ist das Resultat. Murphy hatte ihm einen gezielten Angriff versprochen. Schnell. Sauber. Keine Spuren. Stattdessen hat ein hirnloser Idiot alle Fenster im fünften Stock herausgeblasen und das halbe Dach heruntergerissen.
Die Kripo spricht von einem terroristischen Anschlag. Al-Qaida ist erwähnt worden. Drei pakistanische Brüder sollen nächste Woche wegen Planung eines Bombenanschlags auf einen British-Airways-Flug aus Katar vor Gericht gestellt werden. Das gesamte Beweismaterial war im Tresor.
Bones bahnt sich einen Weg durch die Trümmer und findet eine ruhige Ecke. Er ruft Tony Murphy an.
»Was zum Teufel hast du da angerichtet?«
»Immer mit der Ruhe, Bones, was ist denn los?«
»Du hast gesagt, er wäre ein Experte.«
»Das habe ich.«
»Nun, ich steh hier vor einem
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