Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
wissen.«
Ihre Stimme wird leiser. Sie sieht sich um.
»Ich habe mich nur gefragt … oder eher gehofft … dass Sie Persephone vielleicht gehen lassen könnten – wegen ihrer Behinderung. Sie würde nicht schlecht über Sie reden. Sie haben uns wirklich gut behandelt.«
Der Fahrer unterbricht sie.
»Sie können nicht einfach einen von uns gehen lassen und die anderen nicht. Das ist verdammte Diskriminierung.«
»Sie sitzt im Rollstuhl«, sagt ihre Mutter.
»Na und? Wir bauen ihr Rampen. Wir bauen ihr Aufzüge. Sie bekommt eine spezielle Rente. Die nimmt uns doch eh schon aus.«
Sie schreien sich an.
Sami befiehlt ihnen, still zu sein.
Persephone mischt sich in den Streit. »Ich will keine Gefälligkeiten.«
»Das sagst du bestimmt auch, wenn die Regierung dir was schenkt«, sagt der Fahrer.
»Sie sind ein Arschloch.«
»Und du sitzt im Rollstuhl.«
Sami rastet aus und rammt dem Mann die Faust in den Magen. Dann macht er weiter, schlägt ihm den Kolben der Halbautomatischen direkt unter das rechte Auge.
»Ich habe gesagt, Sie sollen den Mund halten«, schreit er, wedelt mit der Waffe, als würde er ein Orchester dirigieren. Sami knüllt eine Serviette zusammen und stopft sie dem Fahrer in den Mund, klebt einen Streifen Klebeband drüber, das er von einer Rolle abgerissen hat.
»Sie kennen mich nicht«, sagt er, mit seinem Gesicht ganz nah, zischt die Worte zwischen seinen Zähnen hervor. »Ich bin kein Moslem und auch kein Terrorist. Ich bin so britisch wie Sie, aber Arschlöcher wie Sie lassen mich daran zweifeln, ob ich darauf stolz sein sollte.«
Die Augen des Fahrers sind am Überlaufen. Sami hat solche wie ihn schon gesehen – furchtlos in ihrem eigenen Revier, aber feige, wenn es zur Auseinandersetzung kommt.
Er rollt ihn erst auf eine Seite, dann auf die andere und klebt seine Handgelenke zusammen, hinter seinem Rücken. Dann zieht er ihn auf einen Stuhl hoch und schlingt Klebeband über die gebogene Holzlehne.
Niemand im Restaurant hat etwas gesagt. Sami steckt die Waffe weg. Wischt sich die Hände ab.
»Wer möchte was trinken? Ich habe Durst.«
31
Bones McGee denkt über den Schlamassel nach, in den er sich gebracht hat, und schätzt seine Chancen ab. Vielleicht könnte er mit den Typen von der Sitte einen Deal machen und Tony Murphy reinreißen. Er selbst könnte sich zu einem geringfügigeren Vergehen bekennen und seinen Mangel an Urteilsvermögen auf den Stress im Job schieben, der ihn dazu gebracht hat, sich mit einem Gangster einzulassen.
Er könnte ein Aufnahmegerät tragen. Murphy hereinlegen. Wiedergutmachung suchen. Seine Polizeikarriere wäre zu Ende, natürlich, aber er müsste nicht ins Gefängnis gehen. Ein Mann wie er sollte das Zuchthaus unter allen Umständen meiden: Dutzende Knastbrüder würden da drinnen auf ihn warten, und sie würden weder Kuchen zur Begrüßung für ihn backen noch Willkommensgeschenke bereithalten.
Tony Murphy würde natürlich auf Bones losgehen wie ein wilder Stier. Aber was wäre mit Ray Garza? Niemand kann weit genug reisen oder ein Loch graben, das tief genug wäre, um sich vor Garza zu verstecken. Der Kerl hat Verbindungen zu den Geheimdiensten, zum Innenministerium und zur Londoner Polizei. Er spielt mit dem Vize-Polizeipräsidenten Golf, zum Teufel noch mal.
Keine der Möglichkeiten geht für Bones auf. Alles hängt von einem Kerlchen ab, das sich in einem Restaurant in Chinatown verschanzt hat. Einem Amateur. Einem Anfänger. Der wahrscheinlich singen wird wie Pavarotti, sobald sie ihn aus diesem Restaurant herausgeschafft haben.
Das Beste für alle Beteiligten wäre, wenn das Kerlchen nicht überleben würde. Am besten pustet er sich selbst in die Luft. Am besten jagt ihm jemand eine Kugel in den Kopf.
Als Bones sein Büro verlässt und nach draußen tritt, schlägt ihm der kalte Wind ins Gesicht. Die Sonne ist ein sterbender orangefarbener Fleck über den Dächern, und der Verkehr fließt wieder.
Er nimmt ein Taxi nach Kings Cross, dreht den Kopf zum Fenster hin, damit der Fahrer sein Gesicht nicht sehen kann. Zwanzig Minuten später nimmt er ein zweites Taxi zurück zum Piccadilly Circus und geht die Treppen zur U-Bahn hinunter.
Die Haltestelle ist geschlossen, aber die Läden in der Nähe sind wieder geöffnet, und Leute schlendern um Schilder herum, die ankündigen, dass heute keine Bahn mehr fährt.
Bones hat sich umgezogen. Er hat sein feines Kaschmirjackett durch einen Mantel mit Flecken von Erbrochenem ersetzt und einen
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