Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
außerdem noch ein Feigling, denkt Sami. Wie viel schlimmer kann es noch werden. Sie kennen seinen Namen. Sie haben sein Foto. Welche Hoffnung hat er jetzt noch darauf, Nadia zu finden und ein normales Leben zu führen?
Schon bald werden sie eine Entscheidung treffen und »die Bedrohung neutralisieren«. Sie werden SWAT -Teams einsetzen oder vielleicht sogar den SAS , Männer, die sich vom Dach abseilen und durch die Türen brechen werden. Tränengas. Blendgranaten. Explosionen. Sie werden hereinkommen, in Panzerwesten und mit genug Feuerkraft, um ihn bis ins nächste Jahr zu katapultieren.
Samis Gedanken fransen aus, ihm tut alles weh, seine Batterien sind leer. Wie auch immer er die Lage betrachtet, er ist am Arsch.
Wenn er zur Tür vorne hinausgeht, dann bringen sie ihn entweder um, oder sie stecken ihn für zwanzig Jahre in einen Hochsicherheitstrakt. Er hat einen Safe in die Luft gesprengt. Beweismaterial gestohlen. Sie werden ihm die Schuld für das geben, was im Zug passiert ist. Wie viele Leute wohl tot sind?
Sami kann schon den gekochten Kohl riechen und den septischen Gestank der Duschen; und er kann fühlen, wie sich auswurfgelbes Wasser um seine Knöchel sammelt. Die Knastschwestern werden ihn wieder willkommen heißen. Sie werden seine Beine auseinanderkicken. Ihn gegen die Wand lehnen. Sich abwechseln. Nichts wird ihn schützen, wenn er wieder in den Bau geht. Er wird aufgerieben werden.
Wenn er die Wahrheit sagt, wird Murphy Nadia umbringen. Wenn er die Klappe hält, überlebt er möglicherweise ein paar Monate im Knast, bevor Murphy auf Nummer sicher geht und ihn ermorden lässt. Es ist egal, wie lange er in Einzelhaft bleibt, am Ende ist er doch auf sich allein gestellt. Und dann wird ihn jemand im dritten Stock über das Geländer heben oder ihm ein selbst gebautes Messer in die Rippen rammen.
Sami sieht nach unten und starrt auf seine Hände, ballt sie zu Fäusten, knetet die Zeigefinger mit den Daumen. Dann schiebt er sie unter die Oberschenkel, damit das Zittern aufhört.
Das Telefon auf dem Tisch vibriert.
»Hallo Sami. Hier ist Bob. Ich kenne jetzt Ihren Namen. Wir müssen uns nichts mehr vormachen.«
»Ich habe mir nichts vorgemacht.«
»Ich weiß, aber jetzt gibt es keine Verwechslungen mehr. Wir sollten den Dialog verbessern.«
Bob redet, als seien sie bei einem Firmenseminar.
Es entsteht wieder eine lange Pause. Sami denkt daran aufzulegen, aber Bob stellt plötzlich eine Frage.
»Wo kommen Sie her, Sami?«
»Sie wissen, wo ich herkomme.«
»Sie haben ein paar harte Jahre hinter sich. Gefängnis und jetzt das hier …«
Das kann man wohl sagen, denkt Sami, während Bob weiterspricht und gefährlich nah ans Bemitleiden gerät. Er hört sich so freundlich an, gleich wird er Sami auf ein Bier und einen Kebab einladen.
»Haben Sie Familie?«
»Eine Schwester.«
»Wie heißt Sie?«
»Nadia.«
»Wo ist sie jetzt?«
Das ist eine gute Frage, denkt Sami. Vielleicht kann die Polizei sie finden. Er könnte eine Forderung stellen.
»Ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Sie haben sie aus den Augen verloren.«
»Das könnte man so sagen.«
Bob Piper deckt den Hörer ab. »Finden sie seine Schwester. Wir müssen mit ihr reden.« Er ist wieder zurück bei Sami. »Sagen Sie mir, was Sie wollen, und ich versuche, Ihnen zu helfen.«
»Ich will ein Wunder.«
»Ich kann keine Wunder tun.«
»Ich will woanders sein.«
S ami drückt auf die rote Taste. Beendet den Anruf. Er hockt sich in die Ecke des Restaurants, die Arme über den Knien verschränkt, sein Kinn auf die Arme gestützt. Die anderen beobachten ihn, warten darauf, dass er etwas tut.
Persephone hat ihre Zeichnungen weggepackt. Ihre Mutter presst einen hölzernen Rosenkranz an sich, der abgenutzt und glatt von ihren Fingern ist. Lucys Augen huschen auf ihre Eltern und dann zurück zu Sami, irgendwie scheint sie sich auf beide zu konzentrieren.
Samis Eingeweide ziehen sich zusammen. Wenn er Angst hat, schlägt ihm das direkt auf die Gedärme. Er zittert. Ist nervös. Hoffnungslos. Etwas in ihm ist zerbrochen, und er kann nicht mehr.
Langsam öffnet er seine Fäuste, berührt sein Gesicht mit den Fingern. Er muss sich rasieren. Duschen.
Und da passiert es. Eine Idee klickt in sein Hirn. Die ist mordsmäßig. Riskant. Etwas, was man nur einmal versauen kann.
Er hebt das Handy auf.
»Bob, ich will den Wagen.«
Der Vermittler ist überrumpelt.
»Welchen Wagen?«
»Den, der draußen neben dem Restaurant geparkt ist – den
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