Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
glücklichen Zufall einfach so annehmen, sitzen auch zwölf Jahre im Knast und jammern darüber, wie ein dummer Zufall ihnen alles vermasselt hat.
Murphy sieht durch die Terrassentüren in seinen Garten hinaus. Das Festzelt ist eingepackt und abgeholt worden. Ein Catering-Wagen wird mit den letzten Tischen beladen.
Was auch immer geschieht, er muss auf Abstand zu den heutigen Ereignissen gehen, Abstand von dem Raub, dem Bombenanschlag, von Sami Macbeth. Sein Alibi ist sicher. Hundert Leute können seine Anwesenheit bezeugen.
Wie lange wird es dauern, bis sie Dessies Leiche identifizieren? Dann werden sie kommen und Fragen stellen, weil jedermann weiß, dass der Dobermann für ihn gearbeitet hat. Die Antwort lautet, dass er auch von seinem alten Kumpel auf Abstand gehen muss. Er könnte das Gerücht streuen, dass er und Dessie sich zerstritten haben. Den Leuten erzählen, dass Dessie in die Kasse gegriffen hat.
Niemand, der Dessie kannte, wird so etwas ernsthaft glauben, aber die Bullen könnten den Wurm schlucken, wenn Murphy es schafft, den Köder richtig auszulegen.
Plötzlich sieht er eine neue Möglichkeit. Früher oder später werden die Bullen die Explosion im Old Bailey mit dem Bombenattentat in Verbindung bringen. Und wenn sie merken, was aus der Asservatenkammer fehlt, werden sie glauben, dass Ray Garza jemanden damit beauftragt hat, seinen Sohn rauszupauken. Da kommt Dessie Fraser ins Spiel, tot nützlicher als lebendig.
Das einzige Problem ist Sami Macbeth. Murphy atmet tief durch die Nase aus. Drückt seine Zigarre aus, trägt seinen Scotch durch die Terrassentür und über den Rasen, da steht Gabriel, ohne Jackett, die Ärmel hochgerollt und poliert den Jaguar.
»Wir fahren.«
»Wohin, Boss?«
»Wenn du das wüsstest, dann wärst du so schlau wie ich.«
36
Bob Piper sitzt in dem mobilen Kontrollzentrum, einem Winnebago, der in der Wardour Street parkt, gegenüber einem Angus Steak House. Auf dem Tisch ausgebreitet und mit Kaffeebechern beschwert liegen die Pläne des Red Emperor Restaurants und der anliegenden Häuser, daneben Satellitenfotos der umliegenden Straßen. Sie sind bemerkenswert klar, zeigen einzelne Bäume, Fahrzeuge und Luftaufnahmen von Fernsehkameras.
Vor ein paar Jahren verbrachte eine Holländerin einen Nachmittag damit, sich oben ohne auf ihrem abgeschirmten Dachgarten zu sonnen und fand dann Fotos von sich, fast nackt, überall im Internet, weil ein Satellit fünftausend Kilometer über der Erde den Moment aufgenommen hatte.
Piper studiert die Satellitenbilder mit dem Chef des SO 19, dem speziellen Schusswaffenkommando, und mit einem Major, der dem Kampfmittelräumdienst der Armee vorsteht.
Wärmebildkameras, die auf das Restaurant gerichtet sind, zeigen sieben Personen darin. Jede davon erscheint als weißer Schatten vor schwarzem Hintergrund. Jede von ihnen hat einen Codenamen bekommen, nach ihrem Aufenthaltsort. Sami Macbeth ist Ziel Alpha. Im Augenblick steht er nah an der Zwischentür zur Küche. Fünf Geiseln befinden sich im Speisebereich, allerdings weit vom Fenster zur Straße hin entfernt. Eine weitere Geisel ist im Lagerraum, ein Unruhestifter vielleicht, getrennt von den anderen.
Abhörgeräte werden in zwanzig Minuten an Ort und Stelle sein. Techniker bohren langsam von der Bäckerei in der Nachbarschaft aus durch die Wände und schleusen Mikrofone ein.
Piper lehnt sich in seinem Drehstuhl zurück und streckt die Arme über dem Kopf, sein Hemd spannt sich eng über dem Brustkorb.
Was will Macbeth erreichen?
Wenn er wirklich eine Bombe hat, warum hat er sie nicht längst schon gezündet? Vielleicht blufft er. Vielleicht hat die Bombe nicht gezündet, oder er hat den Mut verloren.
Jetzt will er einen Wagen nehmen. Das wird nicht geschehen. Piper kann keinen mutmaßlichen Selbstmordattentäter mit Geiseln einen Ausflug durchs West End unternehmen lassen. Keine Verfolgungsszenen. Kein Slapstick.
Piper muss ihn hinhalten. Ausreden finden. Auf die kleinen Forderungen eingehen. Klingen, als ließe er mit sich reden.
Je länger eine Belagerung dauert, umso besser. Dieses Mal ist es jedoch nicht so. Innerhalb der nächsten zwölf Stunden muss eine Entscheidung fallen. Pipers Entscheidung. Sie müssen eine Möglichkeit finden, Macbeth von den anderen zu isolieren. Dann könnte man vom Nachbargebäude aus ein mannsgroßes Loch in die Verbindungswand zum Red Emperor sprengen. Ein Team könnte durch die Eingangstür hineingehen, das andere durch das Loch. Sie
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