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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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zu warten.« Serina seufzte. »Und auf den warte ich immer noch.«
    »Das heißt, sie weiß nichts von mir?«
    »Nein, tut mir leid. Mir ist klar, ich hätte – «
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich verstehe … ich meine, es gibt keinen Grund – «
    »Doch, gibt es«, sagte sie bestimmt. »Du bist ein Verwandter, verdammt. Ihr beide habt denselben Vater. Ihr solltet zumindest das Recht haben, selbst zu entscheiden, ob ihr einander kennen wollt oder nicht.«
    »Ja, aber wenn Robyn nicht – «
    »Robyn weiß nicht, was sie will. Deshalb ist ihr Leben ja so ein verdammtes Fiasko. Sie will immer nur alles verdrängen und sich verlieren.«
    Kommt mir bekannt vor , dachte ich.
    »Ja, gut«, sagte ich. »Ich will die Dinge für dich nicht noch komplizierter machen, und wenn du ihr nichts von mir erzählen möchtest, ist das für mich okay. Ich werde euch … ich werde euch in Ruhe lassen. Aber wenn du meinst, sie möchte mich treffen …« Ich zog eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie Serina. »Da steht meine Handynummer drauf. Und wenn du mich aus irgendeinem Grund nicht erreichen kannst, ich wohne im Victoria Hall – «
    »Du wohnst hier auf der Insel?«
    Ich nickte. »Ich bleibe wahrscheinlich noch eine Woche oder so. Und ich überlasse es dir und Robyn, ob ihr noch mal mit mir Kontakt aufnehmen wollt. Wenn ich bis zu meiner Abreise nichts mehr von euch höre … also, es ist ganz allein eure Entscheidung, okay?«
    »Würdest du denn Robyn gern treffen?«
    »Ja … ja, ich glaub schon. Aber wenn du meinst, es wäre besser, nicht dran zu rühren … na ja, wie gesagt, es ist allein eure Entscheidung.«
    Sie lächelte mich an. »Du erinnerst mich total an deinen Vater.«
    »Ja?«
    »Er war ein rücksichtsvoller Mann. Zu rücksichtsvoll manchmal. Wenn er so viel an sich selbst gedacht hätte, wie er an andere dachte … na ja, dann wär vielleicht alles anders gekommen.«
    Ich nickte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, ob sie recht hatte mit der Rücksicht meines Vaters – dazu hatte ich ihn nicht gut genug gekannt –, und mir war auch nicht klar, ob sie mir signalisieren wollte, dass ich genau wie er zu viel Rücksicht auf andere nahm. Doch ich wusste, wenn sie das meinte, dann irrte sie sich.
    Sie war jetzt aufgestanden und schaute auf ihre Uhr. »Tut mir wirklich leid«, sagte sie, »aber wenn ich nicht bald aufbreche, komm ich schon wieder zu spät zur Arbeit.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin in dieser Woche schon zweimal zu spät gekommen.«
    Ich stand auf. »Wo arbeitest du?«
    Sie zuckte die Schultern. »Ist nur ein Job als Kassiererin. In der High Street gibt es einen kleinen Supermarkt … nichts Besonderes. Einfach bloß ein Job.«
    »Ein Job ist ein Job«, antwortete ich.
    »So ist es wohl.«
    Während ich ihr aus dem Wohnzimmer und über den Flur folgte, spürte ich einen Hauch von Leere in der Luft. Die Teppiche waren alt und verschlissen, das Weiß der Wände vergilbt, und auch wenn das Haus selbst relativ sauber und aufgeräumt wirkte, schien doch alles trist, mit einem spürbaren Hauch von Vernachlässigung. Es war ein trauriges Haus, ein totes Haus. Die Luft machte einen verbrauchten Eindruck, als ob sie zu oft eingeatmet worden wäre und sich durch die Lungen erschöpfter Seelen gezwängt hätte.

4
    Auf dem Weg zurück ins Hotel ging ich noch auf einen Drink in einen Pub namens The Swan. Es war ein relativ großer Pub, traditionell in dunklem Holz getäfelt, mit geräumiger Bar und einem Veranstaltungssaal im hinteren Teil. Auf den Bodendielen lagen keine Teppiche und die Einrichtung bestand aus stabilen Tischen und Stühlen. Buntglasfenster ließen das Licht der blassen Nachmittagssonne wärmer erscheinen und tauchten die schwach erleuchtete Bar in einen Schimmer scheckiger Farben. Der Pub lag gleich außerhalb des Dorfs, ungefähr eine halbe Meile vom Hotel entfernt. Tagsüber war hier anscheinend nicht viel los, aber der Laden machte den Eindruck, als würde er abends richtig zum Leben erwachen. Im Veranstaltungssaal gab es eine Bühne mit ein paar Mikrofonständern und Boxen, die gegen die Rückwand gestapelt standen. Poster an den Seitenwänden kündigten die nächsten Veranstaltungen an: Bandauftritte, Quizabende, eine Talentshow.
    Doch jetzt war die Bar fast leer. Höchstens eine Handvoll Tische waren besetzt – Paare, die sich unterhielten, ein einzelner Geschäftsmann, der auf sein Handy starrte, ein rotgesichtiger Trinker, der Zeitung las,

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