Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
geh schon, lauf schnell und hol’s, wir warten hier auf dich. Und sie war losgerannt, quer über den Parkplatz, mit einer Mischung aus Erleichterung und Verlegenheit im Gesicht.
Und jetzt, etwa zwölf Stunden später, war sie tot.
Ermordet.
Ich wusste noch immer nicht, was mit ihrer Leiche geschehen war. Ich hatte nicht mal den geringsten Ansatz, um das Ganze zu begreifen. Doch egal wie unmöglich es schien, ich wusste, dass es möglich sein musste, denn es war eindeutig passiert. Ihre Leiche war dort gewesen, so viel war sicher.
Ich hatte sie gesehen, sie angestarrt. Ich hatte um das tote Mädchen geweint.
Sie war da gewesen.
Ich schob meine Hand in die Tasche und spürte das kalte Eisen des Schlüssels, den ich eben aus Boons Jackentasche gezogen hatte, als ich beim Aussteigen gegen ihn getaumelt war. Es war der Schlüssel für den Bunker … und vielleicht der Schlüssel zum Tod eines jungen Mädchens.
Ich trat die Zigarette aus und ging ins Hotel.
Jetzt war ich dran mit Fragen.Als ich zur Rezeption kam, war Arthur Finch gerade im Gespräch mit einem Paar mittleren Alters in Wanderkleidung – sie plauderten übers Wetter, lachten und scherzten, die beiden erzählten ihm von ihren Ferienplänen. Als Arthur mich sah, wirkte er auf einmal nervös – unruhig, angespannt, mit einem gezwungenen Lächeln – und beim Nähertreten sah ich, wie seine Hände zitterten. Ich wusste, er hatte nicht nur Angst, er war in Panik … nicht vor mir, aber wegen mir. Und auch wenn ich überzeugt war, dass er PC Gorman belogen hatte, als er behauptete, die Swalenskis seien abgereist, tat er mir doch ein bisschen leid. Er war nur ein alter Mann, ein gebrechlicher und verängstigter alter Mann.
Und Chelsey ist tot , ermahnte ich mich.
Ich wartete, bis die Wandersleute gingen, ignorierte ihren fröhlichen Gruß und trat endlich an die Rezeption.
»’n Abend, Arthur«, sagte ich und sah ihm in die Augen. »War das ein Tag!«
Er sah an mir vorbei, um zu schauen, ob die Wanderer auch wirklich weg waren, dann beugte er sich zu mir vor und sprach im Flüsterton: »Was in aller Welt ist denn passiert, John? Die Polizei hat vorhin angerufen und mir Fragen nach Ihnen und den Swalenskis gestellt, es ging wohl irgendwie um die Tochter – «
»Ja, war meine Schuld, ein albernes Missverständnis. Doch jetzt ist alles geklärt.«
Er runzelte die Stirn. »Aber die meinten, Sie hätten behauptet, ihr wäre was – «
»Hab sie mit jemand anderm verwechselt, das war alles.«
Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich verstehe trotzdem nicht …«
»Hören Sie«, sagte ich und tat genervt. »Ich hab mich geirrt, klar? Ich hab da ein Mädchen gesehen und dachte, es wär was mit ihr. Sie sah genauso aus wie das amerikanische Mädchen. Also hab ich die Polizei angerufen, um die Sache zu melden, und auch gesagt, wer sie meiner Meinung nachist … Aber dann hat sich rausgestellt, dass es gar nicht das amerikanische Mädchen gewesen war, und außerdem war auch gar nichts passiert.«
»Verstehe …«, sagte Arthur und nickte.
»Das Ganze war wirklich ein bisschen peinlich.«
»Hm, ja … das kann ich mir vorstellen.«
Seine Stimme und auch sein Blick wirkten jetzt sehr weit weg. Ich hatte das Gefühl, als würde er überdenken, was ich ihm gerade erzählt hatte, und zu klären versuchen, ob meine Geschichte mit dem zusammenpasste, was er wusste … was immer das sein mochte. Das Problem war, ich tappte völlig im Dunkeln, denn ich wusste nicht, was er wusste, daher konnte ich beim besten Willen nicht einschätzen, ob meine Geschichte einen Sinn ergab oder nicht. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf Zeit zu spielen, dafür zu sorgen, dass er weiter verunsichert blieb, und zu hoffen, etwas aus ihm herauszukriegen, ehe er dichtmachte.
»Ich hab mich so bescheuert gefühlt«, sagte ich und lachte leise vor mich hin. »Ich meine, als die Polizei mir sagte, sie hätten hier angerufen und gehört, dass die Swalenskis gegen Mittag abgereist wären … da bin ich mir wirklich wie ein Idiot vorgekommen. Und was das Ganze noch schlimmer macht: Ich hatte erst beim Frühstück mit Mr Swalenski gesprochen und er hatte mir selbst gesagt, sie würden heute abreisen – «
»Wirklich?«, fragte Arthur plötzlich und riss die Augen auf. »Das hat er gesagt?«
Ich nickte beiläufig. »Gibt es denn einen Grund, wieso er das nicht gesagt haben sollte?«
»Nein, nein«, stotterte Arthur und versuchte sich zusammenzureißen. »Nein … es war nur
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