Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
habe ich nicht.«
    »Und warum glauben Sie, dass das, was Sie gesehen haben oder glaubten , gesehen zu haben – die Leiche des jungen Mädchens war, das im selben Hotel gewohnt hat wie Sie?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ist sie hübsch?«
    »Was?«
    »Diese Chelsey … ich meine, ist sie ein hübsches Ding?«
    »Arschloch.«
    Boon lächelte. »Na ja, anscheinend schwirrte Sie Ihnen im Kopf rum, John. Da können Sie mir keinen Vorwurf machen, wenn ich auf solche Gedanken komme.«
    »War’s das?«, fragte ich und starrte ihn an. »Sind Sie jetzt fertig?«
    Boon hielt meinem Blick eine Weile stand, dann wandte er sich zu Gorman. »Was denkst du, Phil?«, sagte er ruhig. »Sind wir schon fertig?«
    »Glaub ich kaum«, antwortete Gorman.
    Sie lächelten mich beide an.
    Und die Fragen gingen weiter.
    Ich war selbst schuld. Wenn ich Boon nicht Arschloch genannt hätte, hätten sie mich bestimmt nicht noch mal zwanzig Minuten ausgefragt, nur um mich zu ärgern. Doch eigentlich war es egal. Ich hatte es nicht besonders eilig und wusste, sie wollten mir nur ein bisschen ans Bein pinkeln, also musste ich bloß dasitzen und ihre Fragen beantworten: Wie heißen Sie mit vollem Namen? Geburtsdatum? Anschrift? Geschäftsadresse? Telefonnummer, unter der wir Sie erreichen können? Wie lange bleiben Sie hier? Irgendwann würden ihnen die Fragen ausgehen und das war’s dann.
    Und ziemlich genauso lief es auch.
    Gorman machte sich die Mühe, alle meine Angaben zu überprüfen und nachzusehen, ob etwas gegen mich vorlag, doch er fand nichts als die Tatsache, dass mein Auto vor ein paar Wochen wegen Parkens in einer Fußgängerzone beschlagnahmt und abgeschleppt worden war, dass ich das Bußgeld noch immer nicht bezahlt und auch sonst nichts unternommen hatte, um den Wagen wiederzubekommen.
    »Das müssen Sie aber regeln«, erklärte er mir.
    »Ja, mach ich«, log ich.
    Er sah Boon an und fragte, ob es sonst noch was gebe. Boon überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf.
    Und das war’s.
    Gorman ließ den Land Rover an, schaute in den Spiegel und fuhr los.
    Es war gegen halb neun, als ich endlich ins Victoria Hall zurückkam. Gorman fuhr den Land Rover auf den Parkplatz vor dem Hotel. Boon stieg aus und kam um den Wagen, um mir die hintere Tür zu öffnen. Als ich ausstieg, gab plötzlich mein rechtes Bein nach. Ich taumelte gegen Boon und stieß ihn fast um.
    »Scheiße«, sagte er. »Was soll das?«
    »Entschuldigung!«, sagte ich und hielt mich an ihm fest, um das Gleichgewicht wiederzufinden. »Mein Bein …«
    »Scheiße, verdammt!«
    »Tut mir leid«, sagte ich noch mal, richtete mich auf und rieb mir den Oberschenkel. »War nur eingeschlafen, wissen Sie …« Ich zuckte zusammen. »Wacht gerade wieder auf.«
    »Scheiße, Mann«, murmelte er und bedachte mich mit einem wütenden Blick. »Sie sind ja wirklich total durch den Wind.«
    Ich rieb mir wieder das Bein, dann fasste ich in meine Tasche, zog die Zigaretten heraus und zündete mir eine an.
    Boon starrte mich noch eine Weile voller Verachtung an, während ich bloß rauchte, seinen Blick erwiderte und auf eine letzte Bemerkung zum Abschied wartete, doch zu meiner Überraschung seufzte er nur und schüttelte den Kopf, als ob er keine Lust mehr auf mich hätte. Dann drehte er sich einfach um und stieg wieder in den Land Rover.
    Ich sah zu, wie der Wagen losfuhr und die Rücklichter im weiterhin strömenden Regen verschwammen, danach blieb ich noch eine Weile stehen, betrachtete den Parkplatz, rauchte und überlegte … und erinnerte mich daran, wie ich am Morgen aus dem Fenster des Frühstücksraums geschaut hatte, gleich nachdem ich Chelseys Tagebuch fand … das kleine rosa Notizbuch mit den Blumenstickern vorne drauf und den in glitzernden Goldlettern geprägten Worten My Diary … Ich hatte es vom Tisch genommen und aus dem Fenster geschaut, ohne wirklich zu erwarten, dass ich die Amerikaner sehen würde, doch da waren sie – die drei standen am Ende des Parkplatzes und das Mädchen tastete ihre Taschen ab und wühlte danach besorgt in ihrem Rucksack herum … und ich sah, wie der Vater etwas zu ihr sagte und wie sie dann zum Hotel zurückschaute, und hob meine Hand und winkte ihr mit dem Tagebuch. Einen Moment runzelte sie die Stirn, dann zeigte ihr Vater in meine Richtung, sprach wieder mit ihr und sie schaute zu mir zurück und begriff plötzlich, was passiert war. Ihr Vater hatte ihr einen beruhigenden Blick zugeworfen und ihr die Hand auf die Schulter gelegt –

Weitere Kostenlose Bücher