Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
aufleuchten, weil die Karte nicht funktionierte, doch esleuchtete sofort grün. Ich öffnete die Tür und trat schnell hinein.
Die Lichter waren ausgeschaltet, das Zimmer pechschwarz. Ich zog meine Stiftlampe heraus und leuchtete mit dem Lichtstrahl umher. Das Zimmer war genauso angelegt wie meines, es gab die gleichen Einbauten und Armaturen, alles war am gleichen Platz. Soweit ich sah, war der einzige Unterschied, dass dieses Zimmer ein bisschen größer war und zwei Betten hatte statt einem – ein Doppelbett in der Mitte des Raums und ein Einzelbett an der Wand. Beide Betten waren frisch bezogen, die Vorhänge geschlossen. Die Luft roch nach Möbelpolitur, das Zimmer war sauber und aufgeräumt. Es sah aus, wie es aussehen sollte: eben wie ein Hotelzimmer, dessen Gäste unlängst abgereist waren.
Ich löste mich von der Tür, ging herum und schaute mir alles genauer an. Ich wusste nicht so richtig, wonach ich suchte – und selbst wenn ich etwas fand, würde ich wohl nicht recht wissen, was es mir sagte –, doch fürs Erste genügte es mir, mich einfach bloß umzusehen. Ich nahm mir Zeit, schritt bedächtig von einer Stelle zur andern und bemühte mich, keine Geräusche zu machen. Ich untersuchte jede Schublade, jeden Zentimeter des Bodens. Ich schaute in den Schrank, unter die Betten … in die Nachttische, aufs Fensterbrett, hinter die Vorhänge …
Es war nichts da.
Ich ging ins Badezimmer.
Auch dort war nichts zu finden. Alles sauber gemacht, abgewischt, aufgeräumt. Frische Handtücher lagen zusammengefaltet in einem Regal, frische Toilettenartikel standen aufgereiht neben dem Waschbecken – ungeöffnete Minifläschchen mit Shampoo, Duschgel, Körperlotion, verpackte Seifenstücke …
Nicht die kleinste Spur von Bryan Swalenski, seiner Frau oder seiner Tochter.
Nichts.
Jedenfalls sah ich nichts. Kein Zweifel, bei einer genauen kriminaltechnischen Untersuchung würden sich natürlich jede Menge Beweise finden lassen, dass die Swalenskis hier gewesen waren, doch darum ging es nicht. Es war nicht die Frage, ob sie hier gewesen waren, die Frage lautete: Wann waren sie abgereist? Und wo waren sie jetzt? Und in Chelseys Fall: Wo war ihre Leiche?
Aber ich wusste jetzt, dass ich hier drinnen keine Antworten finden würde, also trat ich aus dem Badezimmer, leuchtete noch mal mit der Stiftlampe im Zimmer umher, für den Fall, dass ich etwas übersehen hatte, dann wandte ich mich zum Gehen.
Als ich gerade die Tür öffnen wollte, hörte ich ein unterdrücktes Husten. Es kam vom Flur – ein halb ersticktes Husten mit der Hand vor dem Mund –, doch auch wenn ich kurz einen Schreck bekam und instinktiv die Stiftlampe ausschaltete, machte ich mir keine großen Sorgen. Wahrscheinlich war es ein Gast, der nach einer langen Nacht zurückkam, und als ich mein Auge an den Spion in der Tür legte, schien sich meine Vermutung zu bestätigen. Die Gestalt, die den Flur entlangkam, war der Mann, den ich morgens im Frühstücksraum gesehen hatte, der schmuddelige Typ in Karohemd und Jeans. Er hielt eine Schlüsselkarte in der Hand und schaute auf die Zimmernummern, an denen er vorbeiging … Kein Grund zur Sorge. Jeden Moment würde er sein Zimmer finden, die Tür öffnen und eintreten. Danach musste ich nur eine Weile warten, um sicher zu sein, dass er nicht noch mal herauskam, dann konnte ich aus der Tür schlüpfen und in mein Zimmer zurückgehen. Kein Problem. Kein Grund, nervös zu werden …
Außer dass er jetzt auf Zimmer 16 zukam – und statt auf die Türnummer zu schauen und weiterzugehen, wie ich es erwartet hatte, schien er plötzlich langsamer zu werden. Er wurde wirklich langsamer. Er schaute über die Schulter, schaute nach hinten den Flur entlang … und dann …
»Scheiße.«
Er war stehen geblieben, direkt vor der Tür. Direkt vor meinem Auge. Und jetzt hob er den Arm, seine Schlüsselkarte in der Hand …
Ich hatte keine Zeit mehr zum Überlegen. Ich bewegte mich so schnell ich konnte – zurück ins Zimmer, scharf nach links, flach an die Wand, tastete in der Dunkelheit nach einem Versteck … dann ging die Tür auf, ließ etwas Licht vom Flur herein und ich sah für einen kurzen Moment, wo ich war. Als die Tür wieder zuging, trat ich schnell vor, duckte mich und kroch unter das Einzelbett.
Ich war kaum darunter verschwunden, als schon der Strahl einer Taschenlampe durchs Zimmer schweifte. Man hörte keine Schritte, keine Bewegung, daher nahm ich an, dass der Schmuddelige noch dicht an der Tür
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