Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Schmuddelige ich sei – oder zumindest eine Art Echo von mir –, hieß das noch lange nicht, dass ich alles andere in Zweifel ziehen musste. Das Gefühl von Illusion, das ich gerade erlebt hatte … nun ja, das war doch verständlich. Ich war müde, erschöpft. Es war ein langer, verwirrender Tag gewesen und der schwarze Ort lauerte noch immer in mir und versuchte mich runterzuziehen … und außerdem war ich absolut fertig von dem ganzen Whisky und Speed …
Ich war müde, mehr nicht.
Einfach nur müde.
Es gab keinen Grund, an mir zu zweifeln.
Ich setzte mich auf die Kante von Chelseys Bett, rieb mir die Augen und starrte in die Vier-Uhr-Dunkelheit.
11
Ich wachte vom Klingeln meines Handys auf. Einen Moment war ich nicht sicher, wo ich mich befand, und kurz geriet ich in Panik, weil ich dachte, ich wäre auf Chelseys Bett eingeschlafen und noch immer im Zimmer der Swalenskis.
»Scheiße«, sagte ich, setzte mich schnell auf und schaute mich um.
Ich war eindeutig nicht im Zimmer der Swalenskis, und einen Sekundenbruchteil später erinnerte ich mich wieder an alles – wie ich das Zimmer letzte Nacht oder eher heute Morgen verlassen hatte, wie ich in mein eigenes Zimmer zurückgekehrt war und mich aufs Bett gelegt hatte …
Ich seufzte erleichtert, beugte mich über den Nachttisch und griff nach dem immer noch klingelnden Handy. Die Anrufer-Kennung sagte mir, dass es Cal war.
»Hi«, murmelte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
»Happy Halloween, Monk!«, dröhnte mir seine fröhliche Stimme ins Ohr.
»Was ist?«, nuschelte ich.
»Halloween … heute ist Halloween, John. Du weißt schon, Kids, die sich als Geister und Schauergestalten verkleiden, Süßes oder Saures.«
»Wie spät ist es?«, fragte ich und blinzelte in das vom Vorhang gedämpfte Licht des Fensters.
»Kurz nach zwölf … alles in Ordnung mit dir, John? Du klingst ein bisschen fertig.«
»Ja … nein, alles okay. Moment … warte mal eben.« Ich zündete eine Zigarette an, sog die Lunge voll Rauch und ein Brechreiz stieg in mir hoch. Ich schloss die Augen und wehrte ihn ab, dann nahm ich noch einen Zug von der Zigarette. »Wie spät ist es, hast du gesagt?«, fragte ich Cal hustend.
»Fünf nach zwölf, kurz nach Mittag.«
»Und welchen Tag haben wir?«
»Sonntag. Der letzte Tag im Oktober, Halloween.«
»Scheiß Halloween«, sagte ich und musste wieder husten. »Ich hasse Halloween.« Ich räusperte mich. »Hast du was bei den Airlines rausgefunden?«
»Ja, deshalb ruf ich an. Soll ich’s dir gleich erzählen?«
»Ja.«
»Sicher? Ich meine, ich kann dich auch in ein paar Minuten zurückrufen, wenn du willst, dann hast du ein bisschen Zeit, aufzuwachen und – «
»Erzähl mir einfach, was du hast, Cal.«
»Okay … tja, wie du gedacht hast, gebucht ist die Familie Swalenski auf einen Flug von Heathrow noch Dallas/Fort Worth International für Mittwoch, den 3. November. Es ist ein British-Airways-Flug, Abflug 11.25 Uhr, Ankunft 15.25 Uhr. Gebucht sind drei Personen: Bryan Swalenski, seine Frau Ruth und ihre vierzehnjährige Tochter Chelsey.«
»Und die Buchung ist nicht storniert worden?«
»Nein. Ich hab noch ein bisschen weitergecheckt und rausgefunden, dass sie ein Zimmer im Novotel in Paddington gebucht haben, Anreise Montag, Abreise Mittwoch. Und diese Buchung wurde auch nicht storniert.«
»Das ist super, Cal, danke.«
»Von Beruf ist er freier Naturfotograf«, fuhr Cal fort. »Und die Frau ist Lehrerin. Wenn man nach ihrer Facebook-Seite geht, sind sie seit zwei Wochen in England. Bryan hateinen Teil der Zeit hier gearbeitet und für ein neues Buch Seevögel fotografiert. Außerdem versucht er, die Spuren seiner Vorfahren ausfindig zu machen. Ruth und Chelsey sind anscheinend einfach nur gern bei ihm, egal was er tut.«
»Ja«, sagte ich nachdenklich. »Das verstehe ich.«
»Sie wirkt ziemlich nett.«
»Wer?«
»Die Tochter, Chelsey. Ich kann ja nur nach dem gehen, was ich auf ihrer Facebook-Seite gesehen habe – «
»Chelsey ist bei Facebook?«
»Ja … aber nicht oft. Ich meine, sie schreibt nicht tonnenweise Müll wie die meisten Leute.«
»Kannst du mal eben schnell reingehen?«, fragte ich.
»Ja, einen Moment …« Ich hörte, wie er auf der Tastatur rumtippte. »Sind die Leute in Schwierigkeiten, John?«
»Keine Ahnung … ich glaub schon. Ich meine, es sieht so aus … aber ich kann mich auch irren.«
Er schwieg einen Augenblick und tippte nur, dann sagte er: »Okay, da ist sie …
Weitere Kostenlose Bücher