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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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stand und die Lage checkte, bevor er näher trat. Ich nutzte die Gelegenheit, mich ein bisschen näher zur Wand zu schieben. Unter dem Bett war nicht viel Platz, jedenfalls nicht genug, um mich umzudrehen, deshalb konnte ich bloß daliegen – mit dem Kopf am Boden, das Gesicht zur Seite gedreht – und versuchen zu begreifen, was hier vor sich ging.
    Der Strahl der Taschenlampe bewegte sich inzwischen langsamer und ich hatte den Eindruck, dass der Schmuddeltyp jetzt alles genauer in Augenschein nahm. Den Tisch an der Wand, die Vorhänge, den Fußboden, das Doppelbett … der Strahl der Taschenlampe fuhr bedächtig über jeden Winkel des Zimmers. Und dann bewegte sich der Mann, was ich mehr spürte als hörte – leichte Vibrationen im Boden, das Gefühl von Schritten auf dem Teppich, eine schwache Regung der Luft … Ich hielt den Atem an. Seine Füße tauchten auf, Converse-Schuhe, sie bewegten sich langsam im dämmrigen Licht der Taschenlampe. Ich hörte ihn atmen, ein etwas verschleimtes Rasseln in der Luftröhre. Er ging an mir vorbei, zu dem Tisch an der Wand, um das Doppelbett herum, dann blieb er am Fenster stehen. Ichkonnte nicht sehen, was er machte, doch nach dem kurzen Klimpern der Vorhangringe zu urteilen, warf er wohl einen Blick nach draußen. Dann ein zweites kurzes Klimpern, als der Vorhang wieder geschlossen wurde, und jetzt kam er erneut auf mich zu – zurück um das Bett, zurück am Tisch vorbei, zurück in die Zimmermitte … wo er abermals stehen blieb.
    Ein paar Sekunden geschah nichts, er stand einfach nur da, absolut still, auch der Strahl der Taschenlampe rührte sich nicht … und mein Herz klopfte so heftig, dass ich glaubte, er müsse es hören. Doch dann seufzte er, holte tief Luft, es klang fast wie ein Stöhnen, und als sich die Füße wieder bewegten, zurück in Richtung Tür, hörte ich ihn leise vor sich hinmurmeln: »Verdammte Scheiße, was wird hier gespielt?« Und einen merkwürdigen Moment lang glaubte ich, mich selbst zu hören. Die Illusion wirkte ziemlich real – die Stimme, die Worte … der Ausdruck von Frustration und Verunsicherung. Das war nicht der Schmuddelige da draußen, das war ein etwas ungepflegter Vierzigjähriger mit Dreitagebart und verbundener Hand … ein Mann in einem billigen schwarzen Anzug, mit glasigen, blutunterlaufenen Augen, der mit einer Taschenlampe in der Hand herumlief und nicht recht wusste, wonach er suchte oder warum, der im Grunde gar nichts recht wusste …
    Ein verunsicherter Mann.
    Jetzt hörte ich mich ins Bad gehen, in die sterile weiße Leere … Da ist nichts, alles sauber gemacht, abgewischt, aufgeräumt. Frische Handtücher zusammengefaltet in einem Regal, frische Toilettenartikel aufgereiht neben dem Waschbecken – ungeöffnete Minifläschchen mit Shampoo, Duschgel, Körperlotion, verpackte Seifenstücke … keine Spur von Bryan Swalenski, seiner Frau oder seiner Tochter … und ich weiß, dass ich hier drinnen keine Antworten finden werde, also trete ich aus dem Badezimmer, leuchte noch mal mit der Taschenlampe im Zimmer umher, für den Fall, dass ichetwas übersehen habe, dann drehe ich mich um, öffne die Tür und gehe.
    Als die Tür ins Schloss fiel, brach die Illusion zusammen und ich kam wieder zu mir. Ich war hier, nicht da draußen. Es war der Schmuddelige, der ins Bad gegangen war, nicht ich. Und jetzt war er weg und ich blieb allein in der Dunkelheit zurück, lag im Staub unter dem Bett eines toten Mädchens und versuchte zu verstehen, was hier gespielt wurde.
    War Chelsey wirklich tot?
    Hatte ich wirklich ihre Leiche im Bunker gesehen?
    Vielleicht hatte ich mich ja doch geirrt. Die Lüge, die ich Arthur Finch erzählt hatte – dass ich Chelsey mit jemand anderem verwechselt hätte und so –, na ja, vielleicht war sie ja auf eine verdrehte Weise gar nicht weit von der Wahrheit entfernt. Vielleicht hatte ich Chelsey wirklich verwechselt … verwechselt mit einem anderen jungen Mädchen, einer Tochter, die nie gelebt hatte … nie geboren wurde, nie die Chance hatte zu sterben …
    War ich wirklich so fertig?
    Ich wusste, dass es möglich war. Wenn ich annehmen konnte, dass jemand anderes ich wäre, und sei es auch nur für ein paar trügerische Momente, wie sollte ich mich da noch auf das verlassen, was ich sonst glaubte? Der Glaube ist blind, ermahnte ich mich, während ich unter dem Bett hervorkroch und langsam aufstand. Glauben hat nichts mit Vernunft zu tun. Und nur weil ich mir vorgestellt hatte, dass der

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