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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mutter hat nur Jungfrauen genommen?« fragte er.
    »Einige von den Jungs waren davor schon mit der Hälfte der Mädels im
Viertel zusammengewesen! Für Alice kam es nur darauf an, daß sie wie Jungfrauen
aussahen«, sagte Saskia.
    »Hat sie ernsthaft geglaubt, mein Vater würde zu ihr zurückkehren,
bloß damit sie nicht mehr auf den Strich geht?«
    »Sie war davon überzeugt, daß dein Vater fast alles tun würde, um
dich zu schützen – um dir das Leben zu ermöglichen, das seiner Vorstellung
entsprach, und ein Leben im Rotlichtviertel entsprach ihr ganz bestimmt nicht«,
sagte Saskia. »Die Scheißanwältin hat dann einen Dreh gefunden, wie sie deine
Mutter vom Strich holen konnte.«
    »Du hast die Anwältin nicht gemocht?« fragte Jack. Er erinnerte
sich, wie Saskia und Els Femke angeschrien hatten und daß er geglaubt hatte, Els
und Femke seien kurz davor, handgreiflich zu werden.
    [824]  »Femke war genauso eine bescheuerte Weltverbesserin wie dein
Scheißvater, Jack. Einerseits war sie eine engagierte Verfechterin der Rechte
von Prostituierten, andererseits wollte sie, daß wir alle wieder auf die Schule
gehen oder einen anderen Beruf lernen!«
    »Was für einen Deal hat sie meiner
Mutter angeboten?«
    »Femke hat deiner Mutter gesagt, sie soll von der Straße runtergehen
und mit dir nach Kanada zurückkehren. Diesmal, hat Femke versprochen, würde
dein Vater euch nicht folgen. Falls deine Mutter dich auf eine gute Schule
schickte, falls sie dafür sorgte, daß du die Schule auch abschließt, würde dein
Vater für alles aufkommen. Aber deine Mutter hat sich nicht unterbuttern
lassen: Sie hat Femke gesagt, dein Vater müßte versprechen, daß er sich niemals
auch nur um ein eingeschränktes Sorgerecht für dich bemühen würde. Und er mußte
versprechen, daß er nicht versuchen würde, dich ausfindig zu machen, auch dann
nicht, wenn du älter bist – nicht einmal dann, wenn sie selbst tot ist.«
    »Aber warum hat sich mein Vater darauf
eingelassen?«
    »Er wollte dafür sorgen, daß du in Sicherheit bist – auch wenn das
bedeutete, daß er niemals Kontakt mir dir aufnehmen konnte«, sagte Nico
Oudejans.
    »Wenn deine Mutter deinen Vater nicht haben konnte, dann sollte er
dich auch nicht haben«, sagte Saskia. »So einfach war das. Hör zu, Jack – deine
Mutter hätte sich vor deinen Augen die Kehle aufgeschlitzt, bloß um deinem
Scheißvater eine Lektion zu erteilen.«
    »Was denn für eine Lektion?« rief Jack. »Daß er sie nie hätte
verlassen dürfen?«
    »Hör zu, Jack«, sagte Saskia erneut. »Ich habe deine Mutter
bewundert, weil sie ihm für die Trennung von ihr einen Preis abverlangt hat –
einen hohen Preis. Den meisten Frauen kann man für die schrecklichen Dinge, die
Männer ihnen antun, gar nicht genug bezahlen.«
    [825]  »Aber was hat er ihr denn Schreckliches angetan?« fragte Jack
sie. »Er hat sie bloß verlassen! Er hat mich nicht im Stich gelassen; er hat
ihr Geld für meine Ausbildung und für meinen sonstigen Unterhalt gegeben –«
    »Man kann nicht eine Frau schwängern und es sich dann anders
überlegen, ohne daß es einen was kostet, Jack«, sagte Saskia. »Frag ruhig
deinen Vater.«
    Nico war stumm geblieben, seit er Jack gesagt hatte, sein Vater habe
dafür sorgen wollen, daß er in Sicherheit sei. Saskia hatte sich, wie Alice,
eindeutig für die Rache und gegen die Vernunft entschieden.
    »Schneidest du auch Männern die Haare?« fragte Jack sie. »Oder nur
Frauen?« (Er mußte sich ein wenig beruhigen.)
    Saskia lächelte. Sie hatte ihren Kaffee ausgetrunken. Sie machte ein
Kußgeräusch mit den Lippen, und der Yorkshire-Terrier hüpfte von Nicos Schoß
und sprang ihr in die Arme. Sie setzte den Hund wieder in ihre Handtasche und
stand vom Tisch auf. »Nur Frauen«, sagte sie, immer noch lächelnd, zu Jack.
»Aber nun bist du ja erwachsen, Jackieboy, und falls
du mal jemanden suchst, der dir die Eier abschneiden soll, dann sag mir
Bescheid.«
    »Das mit der Kastration hat sie vermutlich nicht in ihrem
Kosmetikkurs gelernt«, sagte Nico Oudejans, während sie Saskia nachsahen. Sie
drehte sich kein einziges Mal um. Sie ging einfach.
    »Was ist mit Els?« fragte Jack. »Vermutlich weißt du auch, was aus
ihr geworden ist.«
    »Du hast Glück«, sagte Nico. »Els ist ein etwas freundlicheres Gemüt.«
    »Schneidet sie keine Haare?« fragte Jack.
    »Das wirst du schon sehen«, sagte der Polizist. »Jeder Mensch hat
eine Geschichte, Jack.«
    [826]  Nico führte Jack auf die

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