Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
spazierenführen. Sie war schon einmal wegen Erregung öffentlichen
Ärgernisses festgenommen worden. Und für den Krawall, den er im Palais des
Festivals veranstaltete, diesem Schandfleck aus Glas und Beton, hätte ihm
eigentlich die Goldene Palme für schlechtes Benehmen gebührt. Dazu kam es nach
dem offiziellen Einzug der Stars. Jack befand sich auf einer schmalen Treppe,
die zu einem der oberen Räume des Palais führte. Irgendein Journalist stieß ihn
gegen einen der Gorillas, die man als Sicherheitspersonal angeheuert hatte. Der
Gorilla war der Meinung, Jack habe ihn absichtlich geschubst, was zu Jacks
improvisiertem Hüftschwung führte. Tschenko wäre – ebenso wie die Trainer Clum,
Hudson und Shapiro – stolz darauf gewesen, wie perfekt Jack den Wurf ausführte,
aber der Vorfall wurde in sämtlichen Zeitungen breitgetreten. Der Gorilla brach
sich das Schlüsselbein, und Jack wurde erneut zu einer saftigen Strafe
verdonnert. Ach, die Tücke der Franzosen!
    Zuletzt hatte Jack vom Balkon seiner Suite mit Meerblick im Carlton
aus eine ganze Flasche Taittinger (gekühlt) auf Lawrence, den ehemaligen
Agenten, gegossen. Der Fiesling hatte Jack von der Terrasse aus den
Stinkefinger gezeigt. Lawrence war genau die Sorte von Arschloch, der man in
Cannes über den Weg lief. Jack haßte Cannes.
    [851]  In Dr. Garcías Augen benahm sich Jack in Venedig, Deauville und
Toronto, den drei Filmfestivals, auf denen Richard Gladstein, Wild Bill
Vanvleck, Lucia Delvecchio und Jack Die Schundleserin promoteten, nur geringfügig besser. (Die Schlagzeile in Variety – VIEL LIBIDO AM LIDO – hätte auf Jack Burns
gemünzt sein können.)
    Emmas Film, wie Jack ihn gewöhnlich nannte, kam sehr gut an; unter
Karrieregesichtspunkten war es vielleicht Jacks bestes Jahr. Sie drehten den
Film im Herbst 1998 und stellten ihn im August und September des Folgejahrs auf
den drei Festivals vor, ehe er dann, gegen Ende des Jahres, in New York und
London Premiere hatte.
    Dann gab es noch den unglücklichen Zwischenfall mit Lucia Delvecchio
im Hotel des Bains in Venedig: Sie hatte zuviel getrunken und bereute bitter,
daß sie mit Jack geschlafen hatte. Allerdings wußte kein Mensch davon, nicht
einmal Richard oder Wild Bill. Und außer Lucias Mann, der nicht in Venedig war,
hätte sich auch kein Mensch darum geschert. Doch in dieser trägen Lagune passierten
schlimme Sachen.
    »Sei nicht so streng mit dir«, sagte Jack zu Lucia. »Die ganze Stadt
ist dabei, unterzugehen. Visconti hat Tod in Venedig im Hotel des Bains gedreht. Der wußte schon, was er tat.«
    Dabei war es hauptsächlich Jacks Schuld gewesen. Lucia hatte zuviel
getrunken, und er wußte, daß sie verheiratet war. Dies löste einen weiteren
Anruf bei Dr. García aus. Auch vom Hotel Normandie in Deauville aus rief er sie
an. (Diesmal ging es nicht um Lucia, sondern – schlimmer – um ein älteres
Mitglied der Festivaljury.)
    »Wieder mal Ihre Fixierung auf ältere Frauen?« hatte Dr. García ihn
am Telefon gefragt.
    »Vermutlich schon«, hatte er geantwortet.
    Jack war mit Mrs. Oastler beim Filmfestival in Toronto, als Die Schundleserin in der Roy Thomson Hall vorgeführt wurde
– vor [852]  ausverkauftem Haus und mit triumphalem Erfolg. Den Film in Emmas
Heimatstadt zu zeigen, erfüllte ihn mit Befriedigung. Aber Leslie hatte eine
neue Freundin, eine Blondine, die Jack nicht mochte. Die Blondine wollte, daß
er alle seine Kleidungsstücke aus Mrs. Oastlers Haus entfernte. Jack glaubte
zwar nicht, daß es Leslie kümmerte, ob er seine Kleidung in ihrem Haus ließ
oder nicht, aber die Blondine bestand darauf, daß er (und seine Sachen)
verschwanden.
    Jack hielt sich gerade in Mrs. Oastlers vertrauter Küche auf, als
die Blondine ihm die zwei Fotos reichte, die den nackten Oberkörper seiner
Mutter und die Bis-ich-dich-finde -Tätowierung
zeigten. »Die gehören Leslie«, erklärte er. »Zwei habe ich, die andern zwei hat
sie.«
    »Nimm sie mit«, sagte die Blondine. »Deine Mutter ist tot, Jack.
Leslie hat keine Lust mehr, sich ihre Brüste anzusehen.«
    »Ich will sie mir auch nicht mehr ansehen«, sagte Jack, aber er nahm
die Fotos. Nun hatte er alle vier – zusätzlich zu dem Nacktfoto der
siebzehnjährigen Emma.
    Mrs. Oastlers Anwesen, wie Jack es bei sich immer nannte, war
anders, nun da die Blondine dort wohnte. Mittlerweile war Leslies Zimmertür
normalerweise geschlossen. Schwer vorstellbar, daß sie auch die Badezimmertür
schloß, aber vielleicht hatte ihr die

Weitere Kostenlose Bücher