Bis ich dich finde
Jack mit Claudia einer wirklichen oder [947] normalen Beziehung am nächsten gekommen. Es
war zumindest eine tatsächliche Beziehung gewesen,
ehe sie ihrer getrennten Wege gegangen waren. Aber Michele Maher war für Jack
sowohl gefährlicher als auch unvergeßlicher, weil es sie nur immer als mögliche Beziehung gegeben hatte. »Das sind die, die am
meisten Schaden anrichten, nicht wahr?« hatte Dr. García ihn gefragt.
(Natürlich meinte sie damit auch die nur vorstellbare Beziehung Jacks zu seinem
Vater.)
Derart gewarnt, fuhr Jack hinaus nach Universal City, um Michele
Maher abzuholen, Dr. Maher, eine achtunddreißigjährige unverheiratete
Dermatologin. Was ging ihm durch den Kopf? Er argwöhnte bereits, daß er sich
mit einem Transen-Stricher mit Gedächtnisverlust womöglich besser amüsieren
würde. Dies war sein Gemütszustand, als er die Eingangshalle des Sheraton
Universal betrat. Sie war überlaufen von hyperaktiv wirkenden Kindern, die
gerade von ihrem Tag im Themenpark zurückkamen. Michele hatte vorgeschlagen,
sich in der Bar zu treffen. Dort saß sie mit drei oder vier ihrer
Zunftkollegen. Sie tranken Margaritas und waren reichlich angeheitert, doch es
ermutigte Jack, festzustellen, daß Michele es fertigbrachte, zu stehen.
Zumindest war sie die einzige, die aufstand, um ihn zu begrüßen.
Sie mußte vergessen haben, wie klein Jack war, denn sie trug Schuhe
mit sehr hohen Absätzen – dank ihrer eins achtzig hätte sie ihn auch barfuß
überragt. »Seht ihr?« sagte sie zu den anderen Ärzten. »Sind Filmstars nicht
immer kleiner, als man es erwartet?« (Jack kam der unfreundliche Gedanke, daß
Penis McCarthy, wäre er hier gewesen, gesagt hätte, daß Jack ihr bis zu ihren
dicken, festen Möpsen reichte.)
Er ging mit Michele im Jones essen, einem trendigen Laden in
Hollywood. Es gehörte nicht gerade zu Jacks Lieblingsrestaurants – es war
überlaufen, von unangenehmer Hektik –, aber er nahm an, daß Michele enttäuscht
sein würde, wenn er ihr nicht ein bißchen Gelegenheit zum Sightseeing bot. (Das
Essen war [948] eher mäßig, aber die Kundschaft war hip: zu Pizza und Pasta gab es
Models, Starlets und jede Menge falscher Titten.)
Natürlich sah er Lawrence in Gesellschaft eines Models: Er und
Lawrence zeigten einander automatisch den Stinkefinger. Michele war sofort
beeindruckt, wenn auch ein wenig unsicher auf den Beinen. »Ich habe den ganzen
Tag nichts gegessen«, bekannte sie. »Die zweite Margarita hätte ich besser
weggelassen.«
»Iß ein bißchen Pasta«, sagte Jack. »Das hilft.« Aber sie kippte ein
Glas Weißwein, während er noch die Zitrone über seinem Eistee ausdrückte.
Er sah sich immer wieder nach Lawrence um, der ihm vermutlich die
Flasche Taittinger heimzahlen wollte, die Jack ihm in Cannes über den Kopf
gegossen hatte.
»Mein Gott«, sagte Michele, ihr Tonfall ein wüstes Gemisch aus
Boston und New York. »Der Laden ist vielleicht cool.«
Sie selbst war es leider nicht. Ihre Haut, die er als schimmernd in
Erinnerung hatte, war trocken und sah leicht gereizt aus – als hätte sie gerade
ein heißes Bad genommen und sich an einem Wintertag in New England zu lange im
Freien aufgehalten. Das honigblonde Haar war stumpf und glatt. Sie war zu dünn
und sehnig, wie eine jener Frauen, die zu heftig trainieren oder zu rigoros
Diät halten – oder beides. Sie hatte zwar nicht allzu viel getrunken, dies aber
auf leeren Magen – Michele gehörte zu den Leuten, die aussahen, als sei ihr
Magen meistens leer –, und schon eine bescheidene Menge Alkohol hätte sie
umgehauen.
Sie trug einen elegant geschnittenen Hosenanzug, unter dessen
Jackett ein hautenges silbernes Camisol hervorschaute. New Yorker Kleidung –
Jack war sich ziemlich sicher, daß man in Boston oder Cambridge keinen solchen
Hosenanzug bekam, und diese Schuhe mit den sehr hohen Absätzen hatte sie
wahrscheinlich auch nirgendwo anders als in New York gekauft. Trotzdem sah sie
aus wie eine Ärztin. Sie hielt die Schultern übertrieben gerade, wie es jemand
mit einer Halswirbelverletzung tut – [949] oder als wäre sie in einem gestärkten
Laborkittel auf die Welt gekommen.
»Ich weiß nicht, wie du das machst«, sagte sie zu Jack. »Ich meine,
daß du so natürlich wirkst, wenn du so unnatürliche Sachen machst – zum
Beispiel einen Skifahrer in Frauenkleidern spielst. Oder einen toten Rockstar –
einen weiblichen! Oder einen Chauffeur, der mit einer Nutte verheiratet ist.«
»Ich habe eine Menge
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