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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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die offenbar
gerade eine Rotweindiät machten.
    Eine der Frauen griff nach dem Ring und sah Jack an. »Das wäre aber
nicht nötig gewesen«, sagte sie und steckte sich den Ring auf einen ihrer
hübschen Finger.
    »Tut mir leid, das ist der Ring ihrer Mutter«, sagte Jack zu ihr.
Sie zog einen Flunsch, während Michele höchst verlegen dreinschaute.
    »Du erinnerst dich nicht an mich, was, Jack?« fragte das andere
Model.
    [952]  Jack stand auf, trat an ihren Tisch und hielt der Frau, die noch
immer Micheles Ring trug, die Hand hin. Er versuchte, etwas Zeit zu gewinnen,
während er darauf zu kommen versuchte, wer das andere Model war.
    »Ich hatte schon Angst, du hättest mich vergessen.« (Das war einer
von Billy Rainbows Sätzen, der Jack schon immer gefallen hatte.)
    Es war nicht die Antwort, mit der das Model gerechnet hatte. Jack
konnte sie noch immer nirgendwo unterbringen, aber vielleicht hatte er sie auch
noch nie im Leben gesehen, und sie spielte bloß ein Spielchen mit ihm.
    Die andere, die Micheles Ring hatte, spielte eine andere Art von
Spielchen mit ihm: Sie versuchte ihm den Ring anzustecken. »Wer hätte gedacht,
daß Jack Burns so kleine Hände hat?« sagte sie. (Der Ring saß locker auf dem
kleinen Finger seiner linken Hand. Jack ging damit an seinen Tisch zurück.)
    »Jack Burns hat auch einen kleinen Penis«, sagte das andere Model.
    Vermutlich kannte sie ihn tatsächlich, aber er konnte sich noch
immer nicht an sie erinnern. Michele saß einfach nur mit glasigem Blick da.
»Mir geht es nicht besonders«, sagte sie zu Jack. »Ich glaube, ich bin
betrunken, wenn du es genau wissen willst.«
    »Du solltest versuchen, etwas zu essen«, sagte er.
    »Weißt du denn nicht, daß man einem Arzt nicht sagen kann, was er
tun soll, Jack?«
    »Na, komm. Ich bringe dich ins Hotel zurück«, sagte er.
    »Ich möchte sehen, wo du wohnst«, sagte Michele mit quengeliger
Stimme. »Es muß phantastisch sein.«
    »Eine Bruchbude ist es«, sagte das Model, das Jack kannte. »Sag
bloß, du bist wirklich aus diesem Bumsschuppen am Entrada ausgezogen, Jack.«
    »Wir sind aber sehr viel näher bei deinem Hotel als dort, wo ich
wohne«, sagte er zu Michele.
    [953]  »Hast du mit dieser Frau geschlafen?« fragte Michele ihn, als sie
im Audi saßen. »Ich hatte nicht den Eindruck, daß du sie kennst.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, mit ihr geschlafen zu haben«, sagte
Jack.
    »Was ist ein Bumsschuppen ?« fragte sie
ihn.
    »Das ist Slang für Bordell«, erklärte Jack.
    »Wohnst du wirklich in einer Bruchbude in La Strada?« fragte
Michele.
    »Ja«, gab er zu. »Sie liegt am Entrada Drive.«
    »Aber warum wohnst du in einer Bruchbude? Eigentlich müßte Jack
Burns doch in einem Riesenhaus wohnen?«
    »Ich weiß eigentlich gar nicht, wo ich wohnen möchte, Michele.«
    »Mein Gott«, sagte sie erneut.
    Auf dem Hollywood Freeway schlief sie ein. Jack mußte sie in die
Eingangshalle des Sheraton Universal tragen. Ihre Zimmernummer kannte er nicht,
und er fand ihren Schlüssel nicht in ihrer Handtasche. Er trug sie in die Bar,
denn er war überzeugt, dort ein paar ihrer betrunkenen Kollegen anzutreffen. Er
hoffte, einer von ihnen war noch so nüchtern, daß er Michele erkannte.
    Eine andere Dermatologin kam Jack zu Hilfe. Sie war ein reizloser,
sarkastischer Typ, hatte aber wenigstens nichts getrunken. Zusammen schafften
sie Michele auf ihr Zimmer. Die andere Ärztin hieß Sandra und kam von irgendwo
in Michigan. Offenbar ging sie davon aus, daß Jack mit Michele schlief, denn
sie machte sich daran, Michele in seiner Gegenwart auszuziehen.
    »Lassen Sie ihr ein Bad ein«, sagte sie. »In diesem Zustand können
wir sie nicht lassen. Wenn sie spucken muß, erstickt sie vielleicht. Schwer
Betrunkene atmen häufig ihr Erbrochenes ein. Wir wecken sie lieber auf, damit
sie sich übergeben kann, wenn sie wach ist.«
    Jack tat, was die Ärztin gesagt hatte. Dann trug er Michele ins [954]  Bad und hob sie mit Sandras Hilfe in die Wanne. Nackt war sie viel zu dünn,
ja geradezu ausgezehrt. Ihre kleinen Brüste zeigten Dehnungsstreifen, wie bei
einer Frau, die eine Schwangerschaft hinter sich hat. Die Haut sah dort faltig
aus. (Es lag am Gewichtsverlust; sie war nicht schwanger gewesen.)
    »Du lieber Gott, wieviel hat sie eigentlich abgenommen?« fragte
Sandra Jack, als wäre er derjenige, der sie auf den Gedanken gebracht hatte.
    »Ich weiß nicht, was sie vorher gewogen hat«, sagte Jack. »Ich habe
Michele zwanzig Jahre lang nicht

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