Bis ich dich finde
ruhte.
Jack hielt mit einer Hand ihre Hand, mit der anderen seine Teetasse. Das Album
lag aufgeschlagen auf seinem Schoß, und der Mann, der ihm und Heather so
ähnlich sah, blickte zu ihnen auf. »Ich möchte, daß du die Father Willis in Old
St. Paul’s hörst«, sagte Heather. »Ich möchte dir etwas vorspielen, bloß um
dich vorzubereiten.«
Sie blieben so sitzen, und Jack trank in kleinen Schlucken seinen
Tee. Den Kopf an seine Schulter gelegt, wäre es für Heather schwierig gewesen,
ihren Tee zu trinken. »Möchtest du denn deinen Tee nicht trinken?« fragte er.
»Ich möchte genau das tun, was ich gerade tue«, antwortete Heather.
»Ich möchte nie mehr den Kopf von deiner Schulter nehmen. Ich möchte dich
umarmen und küssen – und dir mit beiden Fäusten ins Gesicht schlagen. Ich
möchte dir alles Schlimme erzählen, was mir passiert ist, besonders das, was
ich gern mit dir beredet hätte, als es passiert ist. Ich möchte dir [1024] jeden
Freund von mir beschreiben, vor dem du mich hättest bewahren können.«
»Das kannst du alles tun«, sagte Jack.
»Vorläufig tue ich nur das hier«, sagte sie. »Bei dir muß immer
alles hopplahopp gehen.«
»Worin besteht seine Zwangsneurose?« fragte Jack.
Sie drückte seine Hand und schüttelte den an seiner Schulter
liegenden Kopf. Sie habe Williams Wohnung in Marchmont, die, in der sie
aufgewachsen sei, verkaufen müssen. »Das ist ein Studentenviertel, aber es
wohnen auch einige Dozenten dort«, sagte Heather. Es wäre ihr lieber gewesen,
sie hätte dort bleiben können, aber sie habe die Wohnung verkaufen und etwas
weniger Teures finden müssen.
»Um das Sanatorium bezahlen zu können?« fragte er. Ihr an ihn
gelehnter Kopf nickte. Ihre Sachen seien größtenteils eingelagert, die von
William komplett. »Wie wär’s, wenn ich dir eine Eigentumswohnung kaufe?« fragte
Jack.
Sie nahm den Kopf von seiner Schulter und sah ihn an. »Du kannst
mich nicht kaufen«, sagte sie. »Das heißt, wahrscheinlich kannst du es schon.
Aber es wäre nicht richtig. Ich will nicht, daß du alles für mich tust – du
sollst mir bloß helfen, was ihn angeht.«
»Gern, aber du hast mir noch nicht gesagt, was ich tun soll«, sagte
er. Sie nahm einen Schluck Tee. Sie zog seine Hand, die sie nicht losgelassen
hatte, auf ihren Schoß und betrachtete sie genauer. »Du hast seine kleinen
Hände, aber er hat längere Finger. Du hast keine Organistenhände«, sagte sie.
Sie drückte ihren Handteller an den von Jack, so daß ihre Finger an seinen
lagen; ihre waren länger. »Jeder Quadratzentimeter seines Körpers ist
tätowiert«, sagte sie, den Blick noch immer auf die aneinandergedrückten Hände
gerichtet. »Sogar der Spann seiner Füße, sogar seine Zehen.«
»Auch seine Hände?« fragte Jack.
[1025] »Nein, seine Hände nicht, auch nicht Gesicht und Hals und nicht sein
Penis«, sagte sie.
»Hast du seinen Penis gesehen, oder hat er dir gesagt, daß er dort
nicht tätowiert ist?« fragte Jack.
»Du würdest dich wundern, wie viele Leute Daddys Penis gesehen
haben«, sagte Heather lächelnd. »Du bekommst ihn bestimmt auch zu sehen – das
ist gar nicht zu vermeiden.«
Sie hatte ein kleineres Fotoalbum für Jack zusammengestellt. Es
hatte in etwa das Format eines Taschenbuches und enthielt zum Teil die gleichen
Fotos wie das größere Album, zum Teil auch Bilder derselben Augenblicke in der
Zeit, die aus etwas anderem Winkel festgehalten waren. Fotos von Heathers
Mutter waren keine darin – nur solche von Heather und William. Jack und Heather
betrachteten sie gemeinsam und tranken dazu Tee.
»Ich könnte Ski fahren lernen«, sagte Jack. »Dann könnten wir alle
zusammen fahren.«
»Mit mir könntest du dann fahren, Jack. Die Zeiten, wo Daddy Ski
fahren war, sind vorbei.«
»Er kann nicht mehr Ski fahren?«
»Wenn man ihn vor sich hat, glaubt man zunächst, daß ihm überhaupt
nichts fehlt und daß er bloß ein bißchen exzentrisch ist oder so was
Ähnliches«, sagte seine Schwester. Sie nahm ihre Brille ab und schob ihr
Gesicht so nahe an das von Jack heran, daß ihre Nasenspitzen sich berührten.
»Ohne Brille muß ich so nahe herangehen, um dich deutlich zu sehen«, sagte sie.
Sie zog den Kopf langsam zurück, aber nur etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter.
»Ungefähr ab hier kann ich dich nicht mehr sehen«, sagte sie und setzte ihre
Brille wieder auf. »Also, wenn du ihn triffst, wird er dir weismachen, daß du
ihn nach Los Angeles mitnehmen kannst, wo ihr euch
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