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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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uns das so einiges erklären.«
    Für einen Moment sagte niemand etwas dazu, bevor Olivia schließlich aussprach, was alle Beteiligten dachten: » Na super. Wenn wir irgendwas nicht gebrauchen können, dann ist es ein Nazikiller, von dem der Verfassungsschutz nichts weiß. Der Staatsanwalt wird jubeln. Und die Medien erst…«

23
    Steve Moldenhauer war zum ersten Mal polizeilich in Erscheinung getreten, als er im Alter von dreizehn Jahren eine ältere Dame in einem Berliner U-Bahnhof angegriffen, ihr die Handtasche entrissen und sie danach so lange geschlagen und getreten hatte, bis sie leblos am Boden liegen geblieben war. Die Frau überlebte den Angriff zwar, trug jedoch bleibende körperliche und psychische Schäden davon. Den jungen Angreifer hatte die Polizei dank der Videoaufzeichnungen im Bahnhof mittels einer groß angelegten medialen Suchaktion schnell ausfindig gemacht. Aufgrund seines Alters musste der strafunmündige Moldenhauer jedoch unbehelligt freigelassen werden.
    Doch es sollte danach nicht ruhig um den jungen Mann werden. Bereits ein halbes Jahr später füllte er erneut die Schlagzeilen, nachdem er gemeinsam mit sechs weiteren Jugendlichen eine Tankstelle überfallen und dabei nicht nur Angestellte und Kunden mit einem Messer bedroht, sondern zudem auch den Verkaufsraum verwüstet hatte. Da Steve Moldenhauer zu diesem Zeitpunkt bereits vierzehn Jahre alt war, konnte er zwar vor das Jugendgericht gestellt werden. Dort ließ man ihn jedoch mit einer nachsichtigen Strafe davonkommen.
    Auch in den folgenden Jahren rissen die Berichterstattungen um den Jungen nicht ab. Immer wieder wurde er im Zusammenhang mit teilweise äußerst gewalttätigen Straftaten verhaftet, angeklagt und letztlich nach Abbüßung geringfügiger Jugendstrafen wieder entlassen. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Medien seinerzeit der Tatsache, dass Moldenhauer im Rahmen eines staatlichen Programms mit anderen auffälligen Jugendlichen nach Mallorca geschickt wurde, um dort an einem mehrwöchigen Antiaggressionstraining teilzunehmen. Auch wenn diese Maßnahme keineswegs außerhalb der üblichen Methoden der Resozialisierung von straffälligen Jugendlichen lag und mitnichten den Charakter eines Kluburlaubs besaß, wurde es von der Presse, nicht zuletzt dem Fadenkreuz, geradezu als die Belohnung eines Gewohnheitsverbrechers dargestellt.
    Inzwischen, über zehn Jahre nach seiner ersten Verhaftung, hatte Moldenhauer etliche Vorstrafen sowie insgesamt vier Jahre Gefängnisaufenthalt vorzuweisen. Und obwohl es eine Zeit lang ruhig um ihn geworden war, hatte ein neuer Übergriff des Intensivtäters ihn vor wenigen Wochen wieder ins Licht der Medien gerückt: Ein Zeuge war mutig dazwischen gegangen, als Moldenhauer vor einer Pizzeria auf eine wehrlose Frau losging, um ihr Handtasche und Schmuck zu rauben. Moldenhauer hatte mehrfach auf den Mann eingeschlagen und war dann geflüchtet. Das Ermittlungsverfahren lief.
    Anselm Drexler lag auf seinem Bett. Es handelte sich noch immer um dasselbe Gestell, auf dem er schon als Kind geschlafen hatte, lediglich Bettwäsche und Matratze hatte er seit damals erneuert. Schwester Cecilia war schon vor über einer Stunde gegangen, und obwohl es draußen noch nicht dunkel geworden war, hatte Anselm das ganze Haus hell erleuchtet.
    Wie fühlt es sich an, tot zu sein?
    Während er an den bevorstehenden Besuch bei Steve Moldenhauer dachte, schweifte sein Blick zwanghaft über die Zimmerdecke. Wie immer, wenn er auf seinem Bett lag, überprüfte er sie darauf, ob sich Staub oder gar Spinnweben daran gebildet hatten. Und das, obwohl dies gar nicht möglich war. Anselm reinigte das Haus praktisch fortwährend; war er mit dem letzten Zimmer fertig, begann er wieder beim ersten. Jetzt rollte er sich auf die Seite und vergewisserte sich, dass die Vorhänge noch immer in identischem Abstand zueinander und mit symmetrisch fallenden Einschlägen vor dem blank geputzten Fenster hingen, gegen das aber von außen immer wieder Schneeflocken an das Glas flogen. Anselm nahm dies missmutig und in dem quälenden Wissen zur Kenntnis, dass er nichts dagegen ausrichten konnte.
    Einmal, als Anselm noch klein gewesen war, hatte er mit seinem Spielzeugauto versehentlich eine winzige Blessur im Parkett verursacht. Sein Vater hatte es nicht bemerkt, doch Anselm wusste fortan, dass der Makel im Holz existierte. Seitdem hatte er die beschädigte Stelle beharrlich mit Stofftieren oder Kissen abgedeckt, doch sosehr er sich auch

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