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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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auch ohne seinen Freund und Kollegen Julius Kern bewähren konnte. Umso schwerer musste es für ihn sein, sich sein immer wahrscheinlicher werdendes Scheitern einzugestehen.
    » Was, wenn es gar keine Entführung war, sondern ein Mord?«, dachte die Dezernatsleiterin laut nach. » Leichen verschwinden jeden Tag.«
    » Schon, aber es bleibt die Frage: Wer hat den größten Nutzen von ihrem Verschwinden? Ihre Geschwister kämen nur an das Vermögen, wenn sie tot wäre. Solange sie einfach nur weg ist, haben die gar nichts. Und weil es ohne Leiche auch kein Erbe zu verteilen gibt, scheiden alle anderen möglichen Erben auch aus. Sie war in der Öffentlichkeit praktisch nie allein unterwegs, und ihre Villa ist mit mehr Kameras gesichert als das Kanzleramt. Es gibt im Haus keine Kampfspuren oder Hinweise darauf, dass Möbel oder Teppiche entfernt oder ausgetauscht worden wären. Klassische Mordmotive scheiden auch aus. Es gibt keine schwarzen Flecken in ihrer Vergangenheit, die eine Rache rechtfertigen könnten. Ausgenommen sind vielleicht noch ihre Aussagen in der Castingshow, die waren schon oft ziemlich hart und unter der Gürtellinie. Aber soll ich jetzt jeden im Land verhören, der sich über Tanjas fiese Sprüche aufgeregt hat?« Dennis stützte seinen Kopf verzweifelt auf den Händen ab. » Ich bin mit meinem Latein absolut am Ende.«
    » Vielleicht gibt es ja doch noch einen Menschen, der von ihrem Verschwinden profitiert.« Castella schob die Stapel mit den Namenslisten beiseite und setzte sich auf den Rand von Dennis’ Schreibtisch. » Tanja van Beuten selbst!«
    » Sie meinen, die will ihren Marktwert steigern, indem sie sich ein paar Tage versteckt und damit allen zeigt, wie unentbehrlich sie ist?«
    Castella lächelte und sah Dennis fast mütterlich an.
    » Wissen Sie, manchmal möchten wir Frauen einfach allein sein. Es wäre doch vorstellbar, dass sich Tanja einfach selbst eine kleine Auszeit verordnet hat. Raus aus dem ganzen Trubel, weg von den Verpflichtungen, den Verträgen, Agenturen und Paparazzi. Ich war während meines Studiums auch mal eine ganze Woche lang verschwunden, spurlos.«
    » Ist nicht wahr.«
    » Es hat mir damals alles so dermaßen gereicht! Ich hatte die Nase voll von diesem ganzen Stress, das glauben Sie mir gar nicht.« Castellas Blick fiel erneut auf den Unterlagenstapel. » Ziehen Sie es doch mal in Betracht, dass van Beuten sich selbst entführt hat, um einfach mal ein paar Tage auszuspannen.«
    Dennis wusste nicht viel mit dem Vorschlag anzufangen.
    » Wenn ich hier einfach nur abwarte, bis sich das Problem von selbst erledigt, hängt mich der Staatsanwalt zur Abschreckung in seinem Büro auf.«
    Castella konnte nicht widersprechen.
    » Da ist was dran«, gab sie Dennis recht. » Unter uns: Manchmal, wenn er ganz böse ist, traue ich ihm sogar zu, dass er jemanden auffressen könnte!« Zum ersten Mal seit Stunden lächelte Dennis. » Also, fahren Sie doch noch mal zu Tanjas Angehörigen. Kleine Mädchen haben alle ein Versteck, in das sie sich zurückziehen, wenn sie nicht gefunden werden wollen. Finden Sie das von Tanja.«
    Dennis dehnte sich erschöpft und lehnte sich dann in seinen Sessel zurück.
    » Warum nicht?«, stimmte er zu. » Dann komme ich wenigstens mal hier raus.«

21
    Es war, als ob sich ein Wasserfall über Tanja van Beuten ergossen hätte. Es schien, als ob Hunderte Liter des kühlen Nasses über ihren Körper rännen, und ohne zu begreifen, wie ihr geschah, nahm sie so viel Wasser, wie sie konnte, in sich auf. Das Model, das leblos in seinem Stuhl gesessen hatte und dessen Kopf erschöpft in den Nacken gesunken war, erwachte zu neuem Leben, und mit jedem Schluck der rettenden Flüssigkeit steigerte sich auch Tanjas Vermögen, ihre Lage zu begreifen. Als der Fluss schließlich verebbt war, öffnete sie die Augen.
    » Sauf!«, warf ihr eine Gestalt, die sie im Gegenlicht der Deckenlampe nur schemenhaft erkennen konnte, entgegen.
    Tanja war außerstande zu antworten, doch sie erfasste, dass die Person, die sie an diesem unwirtlichen Ort gefangen hielt, ihr soeben etwas zu trinken eingeflößt hatte. Das Model war noch zu schwach, um koordiniert zu handeln oder geordnet zu denken. Doch Tanja wusste intuitiv, dass Muffin und Oma Erna verschwunden waren. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, verspürte sie einen Ruck, eine schwer zu definierende Form von Gewalt, die sich unsanft auf ihren geschwächten Körper auswirkte. Tanja wusste nicht, ob es ein Schlag

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