Bis in den Tod
Eve verrenkte sich den Kopf, um zu sehen, welche seltsamen Figuren und Symbole über den Bildschirm flackerten. »Spiele, die von erwachsenen Kindern gespielt werden. Geheimbünde. Verdammt, das alles ist doch nichts weiter als eine Reihe von Clubs, in denen sich Hightech-Freaks zusammengefunden haben.«
»Mehr oder weniger. Die meisten Menschen genießen die Abwechslung. Spiele, Fantasien, die Anonymität einer Computermaske, hinter der wir eine Zeit lang so tun können, als wären wir jemand vollkommen anderes.«
Spiele, dachte sie erneut. Vielleicht lief alles auf irgendwelche Spiele hinaus, und sie hatte sich noch nicht eingehend genug mit den Regeln und den Teilnehmern befasst. »Was ist denn falsch an dem Menschen, der du bist?«
»Es genügt eben nicht jedem, stets er selbst zu sein. Und diese Art von Spielen zieht vor allem einsame Menschen und Egozentriker in ihren Bann.«
»Oder Fanatiker.«
»Bestimmt. Das Internet bietet vor allem im Rahmen der Untergrund-Programme Fanatikern einen herrlich offenen Raum.« Noch während er an seinem Steak schnitt, zog er eine Braue in die Höhe. »Außerdem bietet es jede Menge – durchaus lehrreiche – Informationen. Und kann eine völlig harmlose Form der Unterhaltung sein. Sie ist legal«, erinnerte er sie. »Selbst die Untergrund-Programme werden nicht allzu streng kontrolliert. Was vor allem daran liegt, dass es beinahe unmöglich und vor allem unerschwinglich wäre, das zu tun.«
»Die Abteilung für Elektronische Ermittlungen hat diese Dinge im Auge.«
»Bis zu einem gewissen Grad. Sieh hier.« Er schwang sich wieder an sein Keyboard, drückte ein paar Knöpfe und sofort wurde den diversen Wandbildschirmen Leben eingehaucht. »Siehst du das? Das ist nicht mehr als eine halbwegs amüsante Hetzrede gegen eine neue Version von Camelt. Ein Rollenspiel-Programm für mehrere Benutzer mit Hologramm-Option«, erläuterte er ihr. »Jeder will der König sein. Und dort drüben«, er wies auf einen zweiten Monitor. »Eine sehr direkte Werbung für Erotica, ein Virtual-Reality-Programm, bei dem es um Sex-Fantasien geht und für das man eine duale Fernbedienung braucht.« Als sie ihre Brauen in die Höhe zog, betrachtete er sie grinsend. »Das Programm wird in einem meiner Unternehmen hergestellt. Es ist ziemlich beliebt.«
»Da bin ich mir sicher.« Sie fragte lieber nicht, ob er es selbst getestet hatte. Über einige Dinge wusste sie lieber gar nicht erst Bescheid. »Trotzdem verstehe ich das nicht. Eine lizensierte Gesellschafterin wäre doch wahrscheinlich billiger als dieses Programm. Mit ihr könnte man richtigen Sex haben. Wozu also brauche ich dieses blöde Spiel?«
»Es geht um Fantasie. Darum, alles zu beherrschen oder selbst beherrscht zu werden. Außerdem kann ich das Programm immer wieder mit beinahe unbegrenzten Variationsmöglichkeiten durchlaufen. Dabei geht es um die Beeinflussung des menschlichen Gehirns und der Stimmung. Alle Fantasie-Programme bauen darauf auf.«
»Selbst die tödlichen«, sagte sie langsam. »Ist es nicht genau das, worum es bei all diesen Sachen geht? Darum, alles unter Kontrolle zu haben, wenn möglich sogar die Gedanken und die Stimmung eines anderen? Er braucht nicht mal zu wissen, dass er mitspielt. Genau das ist der Kick. Allerdings müsste man dazu gewissenlos und krankhaft egozentrisch sein. Mira sagt, dass diese Beschreibung nicht auf Jess Barrow passt.«
»Ah. Da liegt also das Problem.«
Eve musterte ihren Mann aufmerksam. »Das scheint dich nicht weiter zu überraschen.«
»Er ist das, was wir, als ich noch in Dublin in der Gosse lebte, das typische Großmaul genannt hätten. Eine riesengroße Klappe und nicht das kleinste bisschen Mumm. Ich habe noch nie ein Großmaul getroffen, das nicht bereits beim Anblick des allerkleinsten Tropfens Blut angefangen hätte zu jammern.«
Sie leerte ihren Teller und schob ihn von sich fort. »Mir scheint, dass man sich, wenn man auf diese Weise mordet, nicht mal die Finger schmutzig machen muss. Es ist eine feige, hinterhältige Methode, für die man nicht das kleinste bisschen Mumm zu besitzen braucht.«
Er sah sie grinsend an. »Gut formuliert, aber Großmäuler wie die von mir beschriebenen reden ständig nur von solchen Dingen, sie würden so etwas niemals wirklich tun.«
Es war ihr zuwider, dass das, was er sagte, leider richtig war, und dass sie demnach mit Jess Barrow als Täter wahrscheinlich nicht weiterkommen würde. »Ich muss noch mehr wissen. Wie lange meinst du,
Weitere Kostenlose Bücher