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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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nichts mehr kümmern müssen. Dann will ich nur noch still dasitzen und mich freuen.«
    Sie glaubt an ihren Sohn. Marvel dagegen spürt vor Lampenfieber eine leichte Übelkeit im Magen, lächelt aber tapfer zurück, wenn DocMike ihn anstrahlt.
    Marvel weiß, dass DocMike vorher in der Pathologie gearbeitet hat. Pathologen kennt Marvel aus Krimiserien und findet nicht gerade prickelnd, was sie machen. Marvel begreift nicht, wie man sich freiwillig für so eine Abteilung melden kann, und noch weniger begreift er seine Mutter, was ihr Intimleben betrifft. Marvin ist aber trotzdem froh, dass er als Bezugsperson in den Hintergrund getreten ist.
    Er war ja so gut wie nie zu Hause und hat nicht mitbekommen,
was da läuft. Er weiß nur, dass DocMike seine Mutter zweimal ins Konzert eingeladen hat. Und offenbar ist sogar etwas wie ein gemeinsames Wochenende geplant. Goldener Herbst in Südtirol. Seine Mutter ist rot geworden, als sie es Marvel gestanden hat.
     
    Immer mal wieder klingelt es, Marvels Mutter reißt die Tür auf und begrüßt die Neuankömmlinge mit lautem Hallo. Marvels Freunde treten verlegen von einem Fuß auf den anderen - Spielbein, Standbein -, wenn sie die Nachbarn oder die Kollegen von Marvels Mutter begrüßen. Jojo macht jedes Mal formvollendet einen Diener und windet dabei sein rechtes Chickenleg um das linke Chickenleg, was richtig akrobatisch aussieht, und die Leute lächeln ihm besonders freundlich zu. Offenbar sammelt man mit so was Punkte.
    Marvel nimmt sich vor, beim nächsten Klingeln auch mal die Tür zu öffnen und es mit einem Diener zu versuchen. Aber als es dann klingelt, steht Miranda auf der Matte und daneben ihre Eltern María und Carlos Hernandez.
    Miranda trägt zu ihrer Supermähne und ihrem berühmten scheuen Lächeln ein neongrünes Kleid. Sie hat ein Geschenk für Marvel dabei: Großformat, in rotes Lackpapier eingeschlagen. Das findet Marvel besonders peinlich. Hätte es nicht irgendeine andere Farbe sein können als ausgerechnet rot? Seine Kumpels stehen im Flur - Spielbein, Standbein -, trinken Bier aus der Flasche und tun so, als sähen sie nichts.
    Mirandas Mutter drückt Marvel an ihren großen Busen, der nach einem Blümchenparfum duftet, und Mirandas Vater schlägt ihm krachend seine Pranke auf die Schulter. Mirandas Vater arbeitet auf dem spanischen Konsulat in der Security-Abteilung.
    »Amigo«, dröhnt er, »wir sind alle sehr stolz auf dich!«

    Miranda zupft Marvel am Ärmel und deutet auf das Geschenk, das Marvel erst mal auf dem Garderobentisch entsorgt hat. »Du kannst ruhig sagen, wenn es dir nicht gefällt. Ich bin nicht beleidigt. Ich dachte nur, es macht dir vielleicht Spaß.«
    Marvel wollte das Auspacken eigentlich auf einen diskreteren Moment verschieben, aber ihm wird klar, dass es jetzt sein muss. So linkisch, als habe er noch nie ein liebevoll verpacktes Geschenk bekommen, zieht er die Schleife auf, löst den Tesafilm, um das schöne Lackpapier, das sicher ein Vermögen gekostet hat, nicht zu beschädigen - natürlich reißt es trotzdem -, alles in Zeitlupentempo. Seine Freunde lassen sich inzwischen das Bier durch die Kehle laufen.
    »Macht doch nichts, wenn das Papier kaputtgeht«, sagt Miranda, »kann man eh nicht wieder benutzen.«
    Jojo tritt hinter Marvel und streckt die Hand vor. »Gib her, ich entsorg das. Ich weiß ja, wo bei euch der Papierkorb ist.«
    Miranda schaut Jojo an. »Das weiß ich auch«, sagt sie. »Ich kenn mich hier aus.«
    Marvel hört in ihrer Stimme einen gewissen Stolz oder Trotz und fragt sich: Was will sie jetzt damit sagen? Dass sie meine Freundin ist?
    Es ist was Selbstgemachtes. Ein Buch mit einem Leinenumschlag, wie man sie im Internet bestellen kann, und einem Titel auf dem Cover: Marvin - Coole Zeiten. Jojo muss husten. Und Mauki verschluckt sich.
    Marvel blättert tapfer in dem Buch. Es ist voller Setfotos von Coole Zeiten, die Miranda aus dem Internet heruntergeladen hat, mit Interviews und Presseartikeln, mit einer kompletten Besetzungsliste und dem Drehstab und allem, aber auch wirklich allem, was Miranda über die neue Soap zusammentragen konnte.
    Sie muss Wochen dafür gebraucht haben, denkt Marvel. Er
weiß nicht, was er sagen soll. Es ist nett. Aber auch total peinlich. Miranda strahlt, während Marvels Kumpel sich höflich über dieses alberne Album beugen.
    »Da! Von dir ist auch ein Foto drin«, sagt Miranda.
    Das macht Marvel neugierig, denn er hat auch alle Artikel durchgefieselt, aber kein Foto gefunden.

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