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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Fräulein«, sagt der Kontrolleur fröhlich, »und dann sehn wir mal.«
    Miranda starrt ihn an, als könne sie nicht fassen, dass jemand noch fröhlich sein kann in einer Welt, in der so etwas passiert.
    Glücklicherweise müssen sie an der nächsten Station raus.
    Auf dem Bahnsteig grölen ein paar Typen, die wie Neonazis gekleidet sind. Sie schwanken mit ihrem Kasten Bier direkt auf sie zu. Miranda bleibt wie angewurzelt stehen. In ihren Augen Panik.
    »Marvel«, flüstert sie, »tun die was?«
    Mauki legt mit einer übertrieben beschützenden Geste seinen Arm um ihre Schultern. »Wenn wir bei dir sind, nicht. Keine Angst, Baby.«
    »Sag nicht Baby zu mir! Ich bin nicht dein Baby! Capito?«, faucht Miranda.
    Die Typen marschieren vorbei, ohne überhaupt von ihnen Notiz zu nehmen, aber Miranda schaut sich nach ihnen um. »Was machen die jetzt wohl?«
    Marvel könnte sagen: Was weiß ich? Einen Türken zusammenschlagen? Eine Oma vor die Gleise stoßen? Woher soll ich das wissen, was diese Holzköpfe vorhaben?
    Er seufzt. »Ist doch nicht unser Problem, oder?«
    »Vielleicht doch«, murmelt Miranda. Sie schaut der grölenden Gruppe argwöhnisch nach. »Ich hasse diese Idioten.«
    Ich doch auch, denkt Marvel, aber mach ich deswegen gleich so ein Theater? Wir wollen heute Abend Spaß haben, Mann!
    Sie schauen sich an. Lange.
    »Tja«, meint Bully schließlich gedehnt, »was soll man dazu sagen? Hamburg bietet viel Schönes!«
    Wie auf Kommando brüllen sie los. Alle bis auf Miranda, die den Witz nicht verstanden hat und ratlos guckt. Deshalb schlucken
sie ihr Lachen wieder runter und gehen gesittet zum Ausgang.
    Marvel weiß jetzt schon, dass die Party ein Reinfall wird. Er ärgert sich, dass er keine zweite Jägermeisterflasche dabeihat. Die könnte er jetzt gut gebrauchen.
    Vor dem MOVES wartet eine Meute auf Einlass. Mit einem Blick überreißt Marvel, dass es sich bei den Typen ausschließlich um männliche Exemplare der Gattung Discofreaks zwischen 15 und 20 handelt. Schon mal schlecht. Jungen in dem Alter haben zu wenig Geld, geben zu wenig für Drinks aus, da verdient der Laden nicht genug.
    Aber jetzt erweist es sich als Segen, dass sie Miranda dabeihaben. Miranda mit ihrem schillernden Seidenkleid, auf das das Flutlicht fällt, mit ihrer schwarzen Lockenmähne und dem leuchtend gemalten Mund.
    Der Türsteher sieht sie, streckt den Arm nach ihr aus und ruft: »Du da, kannst vorkommen!«
    Miranda schaut sich um. »Wer?«, fragt sie.
    »Du da!« Der Türsteher ist schlecht gelaunt. Alle Türsteher sind immer schlecht gelaunt. Mauki hat mal gesagt, alle Türsteher in der Hamburger Discoszene kämen aus Albanien. Da brauche man so ein Brutalo-Image fürs Überleben. Und hier in Deutschland kriegten sie ihr Gesicht nicht wieder auf normal zurück. Das sei ihr Problem. Denn das Leben sei schließlich kein Ponyhof. Mauki hat klare Ansichten.
    »Ja, die Grüne da!«, brüllt der Türsteher.
    »Er meint dich! Los! Vorwärts!« Marvel schiebt Miranda vor sich her. Die anderen, die auch alle reinwollen, bilden knurrend eine schmale Gasse. Miranda lächelt nach rechts und links. Sie macht das gut.
    »Wie alt?«, fragt der Türsteher, als er Miranda mustert. Marvel findet, dass Miranda in dem Licht vor der schwarzen Tür
echt interessant aussieht. Als wäre sie tatsächlich was Besonderes. »Wie alt?«, brüllt der Türsteher.
    »Siebzehn!«, brüllt Miranda zurück, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Okay, kannst rein.« Der Türsteher schiebt die Tür eine Handbreit auf. Das Wummern der Bässe schwillt an und wallt nach draußen, zusammen mit einer Wolke dicker heißer Luft.
    Marvel, Bully & Co wollen sich hinter Miranda durch die Tür schieben, aber der Türsteher hält sie auf. »Ihr nicht«, sagt er.
    »Das sind meine Brüder!«, ruft Miranda. »Die passen auf mich auf! Ohne meine Brüder darf ich auch nicht rein!«
    Der Türsteher hat keine Lust mehr, sich mit ihnen abzugeben. Er schenkt jedem von ihnen noch einen verächtlichen Blick und lässt sie rein.
    Das MOVES ist eine Diskothek und Lounge, die in einem ehemaligen Luftschutzbunker untergebracht ist. Luftschutzbunker zeichnen sich dadurch aus, dass sie vier Meter dicke Wände haben, die man nicht in die Luft sprengen kann und durch die auch kein Lärm dringt. Die Leute im MOVES tragen Leichenblässe. Miranda mit ihrem Edeloutfit wirkt komplett deplatziert. Vor der Kasse drängeln sich die Leute so ungeduldig, als sei das MOV ES die letzte Fluchtburg vor dem

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