Bis Mittwoch unter der Haube
sich noch gut an den Tag, an dem Dan ihr gesagt hatte, wer er wirklich war. Er hatte neben dem FBI-Agenten gestanden, der Samantha unter Druck gesetzt hatte: Wenn sie ihre Kooperation bei den Ermittlungen verweigerte, würde auch ihre Mutter in den Knast wandern. Der Agent und Dan hatten ihr von den unsauberen Praktiken ihres Vaters erzählt und ihr verraten, wo sie überall Wanzen angebracht hatten.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihre Mutter einiges über die Machenschaften Ihres Vaters weiß. Wir brauchen Sie, um weitere Beweise zu finden. Sonst müssen wir auch Ihre Mutter verhaften.«
Samantha wusste, dass ihre Mutter völlig ahnungslos war, war aber in dem Augenblick zu schockiert gewesen, um zu hinterfragen, warum ein FBI-Agent mithilfe der Tochter die Unschuld der Mutter beweisen wollte. Letztendlich hatten Dan und seine Freunde Samantha nur dazu benutzt, ihren Vater dingfest zu machen. Dass Martha, ihre Mutter, nichts mit Harris ’ Betrügereien zu tun hatte, war ihnen bereits bekannt gewesen.
Samantha hatte sich durchaus hin und wieder Gedanken über das Geschäftsgebaren ihres Vaters gemacht. Ab und zu hatte er von stillen Teilhabern gesprochen, aber Sam war nie einem begegnet. Verdächtig war ihr das Ganze erst im Lauf des ersten Semesters am College vorgekommen. Damals hatte ihr BWL-Professor sie nach dem Beruf ihres Vaters gefragt. Womit ihr Vater genau sein Geld verdiente, hatte sie ihm nicht sagen können. Sie wusste nur, dass es sich um große Summen handelte.
Und ihre Mutter war ganz einfach die Ehefrau eines wohlhabenden Mannes gewesen. Sie traf sich mit den vornehmen Nachbarn zum Lunch, spülte niemals selbst das schmutzige Geschirr und stellte sich blind, wenn ihr Vater eine Affäre hatte. Sie war stets perfekt gekleidet und achtete penibel darauf, dass Samantha und Jordan niemals in abgetragenen oder billig aussehenden Klamotten aus dem Haus gingen.
Das erste Jahr am College hatte Samantha die Augen geöffnet. Von ihren Mitstudentinnen hatte sie das Sparen gelernt. Leider waren diese Kommilitoninnen nach der Verhaftung ihres Vaters allesamt verschwunden wie Kakerlaken, wenn man das Licht anknipst. Zwei der Mädchen waren Scheidungskinder gewesen und wussten, wie man Daddy das Geld aus der Tasche zog, damit man in den Semesterferien auf den Spring-Break-Partys feiern konnte. Durch diese Mädchen hatte Samantha die großen Discounter kennengelernt, bei denen die Dinge des täglichen Bedarfs kein Vermögen kosteten. Sam hatte ihrer Mutter stolz berichtet, wie sparsam sie geworden war. Sie würde nur die Hälfte des Geldes brauchen, das ihr Vater für ihr Studium veranschlagt hatte.
Martha hatte das Gespräch nach einem einzigen Blick auf die Jeans ihrer Tochter beendet: »Meine Tochter wird nicht in solchen Lappen herumlaufen.«
Verletzt, aber entschlossen, sich von der Engstirnigkeit ihrer Mutter nicht davon abhalten zu lassen, etwas über die harten Fakten des Lebens zu lernen, hatte Samantha allmonatlich die Hälfte des Geldes, das ihr Vater ihr gab, auf ein eigenes Konto eingezahlt. Als das FBI das Vermögen der Elliots eingezogen hatte, hatte dieses Geld sie gerettet.
Und jetzt führte sie plötzlich wieder ein Leben im selben Stil wie in ihrer Jugend und fragte sich, wie Linda, Gwen und alle anderen Leute, denen Blake sie noch vorstellen würde, reagieren würden, wenn sie bei der Scheidung nach einem Jahr merkten, dass sie getäuscht worden waren.
Erst als Blake die Hand auf Samanthas Hände legte, merkte sie, wie krampfhaft sie sie ineinander verschlungen hatte. In seinen schönen grauen Augen sah sie Wärme und Verständnis. Wahrscheinlich glaubt er, ich bin nervös, weil ich nun seiner Familie vorgestellt werde.
Er konnte ja nicht ahnen, worüber sie tatsächlich nachgrübelte.
Zum ersten Mal, seit sie seinen Ring trug, hinterfragte sie ihre Entscheidung.
Was, wenn sie die Sache irgendwie vermasselte, wenn Blakes Schwester und seine Mutter am Ende ohne einen Cent dastanden? Würde Linda damit klarkommen?
Sam erschauerte.
Was, wenn Linda auch keinen Ausweg mehr sah und dasselbe tat wie ihre Mutter?
Mit einem Kopfschütteln versuchte Samantha, die Erinnerung an die Beerdigung ihrer Mutter loszuwerden.
»Alles wird gut.«
Plötzlich war Samantha sich da nicht mehr so sicher. Doch in diesem Augenblick tauchte Albany Hall vor ihr auf. Der Wagen bog von der Landstraße in eine kreisförmige Einfahrt ein.
»Ich glaube, ich träume«, hauchte sie. Blakes Elternhaus sah
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