Bis Mittwoch unter der Haube
Geschäftsbesprechung kommen. Du hast eine ungeheure Beobachtungsgabe.«
»Auf dem College hatte ich als Nebenfach Psychologie.«
»Dann hättest du als Profilerin Karriere machen können.«
»Keine Chance. Du weißt ja: die Sünden der Väter …«
Samantha stemmte sich von der Couch hoch. Das Gespräch war beendet. Blake hatte das Gefühl, dass sie etwas bedrückte. Sie packte ein paar Sachen aus und ging ins Badezimmer. Die Geschichte mit ihrem Vater hatte ihr ordentlich zugesetzt. Blake bedauerte, dass er nicht wusste, wie tief ihre Wunden waren. Aber er würde es herausfinden.
Als Blake sie weckte, hatte Samantha den Eindruck, nur fünf Minuten geschlafen zu haben. Nach einer ausgiebigen warmen Dusche und einem kleinen Happen zu essen – mehr brachte Samantha vor lauter Anspannung nicht hinunter – machten sich die Flitterwöchner auf den Weg nach Albany. Der Gedanke, dass Blakes Familie sie nun genau unter die Lupe nehmen würde, jagte Samantha kalte Schauer über den Rücken. Die erste kurze Inspektion durch Blakes Mutter hatte sie ganz gut überstanden. Aber wenn Linda einen Heimvorteil hatte, würde sie es ihr sicher nicht mehr so leicht machen.
Zu diesem ersten offiziellen Treffen mit der Familie trug Sam einen rostfarbenen Rock mit passendem Blazer. Blake fragte sie nicht, warum die Jeans und das Shirt im Hotelmülleimer lagen. Als er die Sachen dort gesehen hatte, hatte er nur kurz aufgelacht. Schwamm drüber. Sie hätte diese Klamotten gar nicht mitnehmen sollen. Dann hätte sie sie auch nicht angehabt, als Linda überraschend aufgetaucht war. Samantha schwor sich, von nun an nur noch mit Kleidern zu reisen, in denen sie vor der ehemaligen Herzogin von Albany bestehen konnte. Sie wollte nie wieder kalt erwischt werden. Ihr Stil war vielleicht etwas jugendlicher als der ihrer Schwiegermutter, aber für die Rolle der Frau an Blakes Seite war sie nun passend gekleidet.
Während der nachmittäglichen Fahrt aufs Land ließ der Regen nach. Schon kurz, nachdem sie London verlassen hatten, breiteten sich sanfte Hügel vor ihnen aus. Sam versuchte, entspannt neben Blake zu sitzen. Er erzählte ihr von seiner Schwester, die ungefähr in ihrem Alter war.
»Gwen wollte immer, dass ich mein unstetes Leben aufgebe.«
Sams Magen zog sich zusammen. »Macht es dir denn nichts aus …?« Sam sprach den Satz nicht zu Ende. Ihre Augen wanderten zu dem Fahrer vorn im Wagen. Sie wollte fragen, ob Blake nicht befürchtete, dass seine Schwester sich während dieser kurzen Ehe mit ihrer Schwägerin anfreunden könnte.
Blake zuckte zusammen. Einen Moment lang wirkte er verunsichert. »Du und Gwen, ihr werdet bestimmt gut miteinander auskommen. Sie ist sehr nett. Ein bisschen verwöhnt vielleicht, aber alles andere als eine Zicke.«
Samantha verschob die Diskussion über das Verhältnis zu ihrer Schwägerin auf einen späteren Zeitpunkt. Solche Gespräche mussten sie unter vier Augen führen. Aber der Gedanke, dass sie alle Leute, denen sie nun begegnen würde, hinters Licht führten, machte ihr zunehmend zu schaffen. Die Erinnerungen an ihren Vater in seinen letzten Monaten in Freiheit standen ihr noch deutlich vor Augen.
Als Studentin der Wirtschaftswissenschaften hatte Samantha auch außerhalb der Seminarräume oft mit ihren Professoren über den geschäftlichen Erfolg ihres Vaters diskutiert. Selbst Dan, ihr damaliger Freund, hatte alles über Harris Elliots kleines Imperium, seinen Wohlstand und sein Geschäftsmodell wissen wollen.
Dan war charmant gewesen, charismatisch und listiger als ein Fuchs, der vor einem Bau darauf lauert, dass ein Kaninchen den flauschigen Kopf ins Freie steckt.
Sam war das arglose Kaninchen gewesen, mit dem der Fuchs gespielt hatte.
Sie wollte noch immer nicht fassen, dass sie mit dem Mann geschlafen hatte, der ihren Vater letztlich hinter Gitter gebracht hatte. Wie naiv sie doch gewesen war. Sie hatten sich getroffen, gemeinsam gelernt und gemeinsam in den Laken gewühlt. Dan hatte ihre Gespräche aufgezeichnet, scheinbar unschuldige Fragen gestellt und den Behörden geholfen, Beweise gegen ihren Vater zu sammeln.
Noch jetzt, viele Jahre später und während dieser Autofahrt mit ihrem Ehemann auf Zeit wurde Sam übel, wenn sie daran dachte. Die Beweise gegen ihren Vater hatte sie unwissentlich geliefert. Aber letztlich hatte sie durch ihre Naivität wesentlich zum tragischen Ausgang der Geschichte beigetragen. Ihre Mutter war tot, Jordans Leben in Trümmern.
Samantha erinnerte
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