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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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über ihn lustig gemacht. Dabei hatte er echt Sinn für Humor und war für jeden Scherz zu haben, aber seine Witze … vergiss es.«
    »Ich glaube, es hätte ihm ganz gutgetan, wenn er seinen Elfenbeinturm öfter mal verlassen und sich mit der echten Welt beschäftigt hätte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er zu seiner Zeit nicht besonders viele Wodka-Jelly-Shots gefuttert hat.«
    »Ich weiß genau, was du meinst.«
    »Aber er hatte unglaubliches Charisma«, schwärmt Guy, »und man spürte, dass er sich wirklich für das begeistert hat, was er erzählte. Er hat seine Arbeit geliebt .«
    »Und meine Mutter? Wie fandest du sie?«
    »Vielleicht war sie nicht ganz so überschwänglich, was das Thema angeht, aber dafür fiel es ihr leichter, mit den Zuhörern in Kontakt zu treten, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Absolut.« Willow schließt einen Moment lang die Augen.
    »Sie haben viel von der Reise nach Guatemala erzählt. Und ich hatte das Gefühl, dass so eine Feldstudie die tollste Sache der Welt sein muss.«
    »Ja klar!« Willow schnaubt.
    »Für dich nicht?« Guy schaut sie ungläubig an.
    »Nicht wirklich.« Sie zuckt mit den Achseln. »Was mir eigentlich immer am meisten von diesen Reisen in Erinnerung geblieben ist, waren die Moskitos – die waren überall , egal, wo wir hingefahren sind – und echt beschissene Duschen.«
    »Oje!« Guy sieht ehrlich entsetzt aus. »Ich glaub, das ist nichts für mich.«
    »Quatsch, du wärst begeistert«, versichert sie ihm. »Du bist jemand, der in so einer Situation zu Hochform auflaufen würde. Und das sag ich jetzt nicht bloß so.« Sie hebt die Hand, damit er gar nicht erst widersprechen kann. »David hat mir erzählt, dass du ein ziemlich kluger Kopf und unglaublich fleißig bist. Das sagt er nicht über viele, glaub mir.« Sie hält inne und denkt darüber nach, wie sie ihn kennengelernt hat. »Und du bist sehr aufmerksam und rücksichtsvoll … Das ist wichtig für diese Art von Arbeit … Mich hältst du wahrscheinlich einfach nur für verwöhnt, oder?«, fügt sie nach einer kleinen Pause hinzu.
    »Das ist so ungefähr das Letzte, was ich über dich sagen würde«, sagt Guy langsam. »Und was mich angeht, solltest du dir auch nicht so sicher sein. Ich steh nämlich auf saubere Duschen.«
    Was würdest du denn über mich sagen?
    Willow muss sich auf die Lippe beißen, um die Frage nicht laut auszusprechen. Es verwirrt sie, dass sie sie überhaupt gedacht hat und dass es ihr alles andere als egal ist, wie er über sie denkt.
    »Aber ich muss zugeben, dass ich überrascht bin«, fährt Guy fort. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass du selbst gern irgendwann in die Fußstapfen deiner Eltern treten willst.«
    »Auf keinen Fall. Das ist Davids Ding, aber meins überhaupt nicht.«
    »Und die Reisen in alle möglichen Ecken der Welt haben dir wirklich überhaupt keinen Spaß gemacht? Ich meine, wenn ich überlege, wo du schon überall warst …«
    »Doch, das Reisen kann schon spannend sein, vor allem, wenn man einfach Urlaub macht, aber mir sind die Orte am liebsten, die man nur in seiner Vorstellung besuchen kann.«
    Willow zuckt verlegen mit den Schultern und wirft ihm einen unsicheren Blick zu, weil sie halb damit rechnet, dass er sie auslacht oder gelangweilt guckt, aber das tut er ganz und gar nicht. Er wirkt beinahe … fasziniert ist vielleicht ein zu starkes Wort, aber …
    »Erzähl mir was von einem Ort, der nur in der Vorstellung existiert.« Er beugt sich näher zu ihr. »Ich kenne keinen.«
    »Okay.« Sie holt tief Luft. »Ich erzähle dir etwas von einem Ort, der zwar mal existiert hat, von dem ich aber glaube, dass man ihn nur in seinem Kopf wirklich kennen kann.«
    »Sprich weiter.«
    »Der Ort heißt Çatalhöyük.«
    »Chatawas?«
    »Çatalhöyük.« Willow lacht. »Das ist in der Türkei, oder besser gesagt, war in der Türkei. Eine Siedlung aus der Jungsteinzeit, die vor ungefähr achttausend Jahren komplett zerstört wurde. Ich bin nie dort gewesen, aber meine Mutter hat ihre Dissertation darüber geschrieben. Willst du wissen, was diesen Ort für mich so besonders macht?«
    »Na klar.«
    »Das waren die ersten Menschen, die Spiegel hatten. Spiegel aus poliertem schwarzem Obsidian. Darüber hat meine Mutter geschrieben und es wird auch heute noch viel darüber geforscht. Dabei geht es vor allem darum, wie sie hergestellt wurden, welches Werkzeug benutzt wurde, um den Stein zu polieren und wie lange das gedauert hat. Aber für mich sind

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