Bis unter die Haut
ein paar der Bücher, die ich dazu brauche, sind mittlerweile schon so lange vergriffen, dass es leider fast unmöglich ist, noch an sie heranzukommen.
»Haben sie die nicht mal in der Uni-Bibliothek?« Cathy konzentriert sich wieder auf Isabelle und Willow weiß, dass sie David gar nicht mehr richtig zuhört. Aber sie selbst ist ganz Ohr, während sie an der Arbeitsplatte lehnt und so tut, als wäre sie mit der Zubereitung ihres Müslis beschäftigt.
»Das meiste haben sie da, aber nicht das eine Buch, das ich am allerdringendsten bräuchte«, antwortet David unglücklich. »Über Fernleihe kann es Wochen dauern.«
»Dann findest du es bestimmt im Internet.« Cathy befreit Isabelle von ihrem Lätzchen und hebt sie aus dem Hochstuhl.
»Von wegen.« David schüttelt den Kopf. »Die meisten Antiquare führen solche speziellen Fachbücher gar nicht.«
Willow ist davon überzeugt, dass sie jedes Buch finden kann, das er sucht, egal welches. Nicht übers Internet, sondern in ihrem gemeinsamen Lieblingsantiquariat. Dem Laden, über den sie sich mit Guy unterhalten hat und in den ihr Vater David das erste Mal mitgenommen hat, als er noch in die Grundschule gegangen ist. Dort gibt es einfach alles, ob vergriffen oder nicht.
Willow fragt sich, ob er es vielleicht vergessen hat. Doch dann wird ihr klar, warum er nicht dorthin geht. Wahrscheinlich würde es zu viele Erinnerungen aufwühlen. Das, was sie getan hat, hat ihnen nicht nur ihre Eltern genommen, sondern wirkt sich auf ganz viele Bereiche ihres Alltags aus.
»Ich muss langsam los«, sagt Cathy gehetzt. Sie stellt ihre Kaffeetasse und Isabelles Geschirr in das Spülbecken, bevor sie sich mit der Kleinen auf dem Arm zum Gehen wendet. »Hast du heute Morgen keinen Unterricht?« Sie bleibt kurz stehen, um David einen Kuss zu geben. »Ansonsten solltest du dich nämlich beeilen.«
»Du hast recht.« David schiebt seinen Stuhl zurück.
»Was ist mit dir, Willow?« Cathy dreht sich zu ihr um. »Arbeitest du heute Nachmittag?«
»Ja.« Willow nickt und tritt einen Schritt zur Seite, um David Platz zu machen, der gerade aufgestanden ist, um sein Frühstücksgeschirr ebenfalls ins Spülbecken zu stellen. Sie hofft, dass er den Stapel mit Büchern und die Notizen auf dem Tisch liegen lässt, wenn er aus der Küche geht, um sich fertig zu machen.
»Also dann. Wir sehen uns beim Abendessen«, verabschiedet sich Cathy lächelnd.
»Bis später«, ruft David ihr über die Schulter zu, bevor er Cathy in den Flur folgt.
Willow stellt ihr Müsli beiseite und geht zum Tisch. Wenn sie Glück hat, findet sie auf dem Block, wo David sich immer seine Notizen macht, einen Hinweis auf das Buch, das er sucht.
Sie wirft einen verstohlenen Blick über die Schulter zur Tür. David darf sie auf keinen Fall dabei erwischen, wie sie in seinen Notizen schnüffelt, aber die Luft scheint rein zu sein.
Davon abgesehen, dass sie seine Handschrift kaum entziffern kann, sind die Seiten so dicht beschrieben, dass sie bezweifelt, jemals das Gesuchte darin zu finden. Sie macht sich trotzdem daran, jede Seite so gründlich wie möglich zu überfliegen, und hofft, irgendwo auf einen Anhaltspunkt zu stoßen.
Was ist das?
Es sieht aus wie eine Liste von wissenschaftlichen Fachbüchern. David hat sich ein paar Titel notiert und daneben geschrieben, ob sie verfügbar sind oder nicht. Einer davon ist mehrmals rot unterstrichen. Sie ist sicher, dass sie gefunden hat, wonach sie sucht.
Eine Studie über die Ursprünge der griechischen Religion? 1927 veröffentlicht? Das ist genau sein Fachgebiet.
Wenn es für David zu schmerzhaft ist, in das Antiquariat zu gehen, dann wird sie das eben für ihn erledigen. Sie weiß zwar, dass es auch für sie nicht einfach wird, aber das ist ihr egal. Sie will etwas für ihn tun und ist sich sicher, dass sie ihm damit eine echte Freude bereiten kann – im Gegensatz zu ihren bisherigen kläglichen Versuchen, ihm sein Leben irgendwie zu erleichtern.
Wenn sie die letzte Stunde schwänzt, bleibt ihr vor ihrer Schicht in der Bibliothek noch genügend Zeit, zum Antiquariat zu gehen. Ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen, als sie ein Blatt aus dem Block reißt und sich den Titel notiert.
»Willow?«
Sie bleibt wie angewurzelt stehen. Sobald der Gong ertönt war, hatte sie ihre Sachen gepackt und war aus dem Raum gestürzt – normalerweise lässt sie sich immer Zeit, aber sie kann es kaum erwarten, das Buch für David zu besorgen.
»Ja?« Sie dreht sich langsam um
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