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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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Sekunden.« Guy legt sich in die Riemen. »Die 2000 Meter schaffen wir im Moment in sieben Minuten zweiundvierzig. Wenn wir uns um drei Minuten verbessern würden, würden wir mit ziemlich großem Vorsprung den Weltrekord schlagen. Aber ich gehe eigentlich nicht davon aus, dass wir die sieben zweiundvierzig noch unterbieten. Andy trainiert nicht hart genug und mir ist es nicht wichtig genug. Eigentlich rudere ich nur, weil ich wahnsinnig gern frühmorgens auf dem Fluss bin.«
    Willow bewundert die geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen, mit denen er rudert. Es hat etwas unwahrscheinlich Beruhigendes, fast schon Hypnotisches, sodass sie kaum den Blick von seinen muskulösen, leicht gebräunten Unterarmen lösen kann.
    Sie taucht ihre Hand ins Wasser und lässt sie im Kielwasser hinter sich hertreiben. Vielleicht liegt es daran, dass sie immer noch erschöpft vom gestrigen Abend ist oder am sanften Plätschern, wenn die Ruder ins Wasser eintauchen. Sie weiß es nicht und es ist ihr auch egal. Aber sie ist so ruhig und entspannt wie schon seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr. Sie betrachtet Guy durch halb geschlossene Lider, und das Letzte, das sie sieht, bevor sie einschläft, ist sein Lächeln.

KAPITEL ELF
    »Also, die sieht wie ein Hase aus.«
    »Spinnst du?« Willow wendet Guy den Kopf zu. Sie liegen nebeneinander im Gras und schauen zu den Wolken hinauf. »Wenn überhaupt, dann wie ein Schwan!«
    »Jetzt hör aber auf.« Er zeigt in den Himmel. »Da! Das sind ja wohl eindeutig Ohren.«
    »Ein Hals .«
    »Ohren.«
    »Ich weiß nicht so genau, wie ich dir das jetzt am Schonendsten beibringen soll …« Sie dreht sich vorsichtig auf den Bauch und stützt den Kopf in die Hand. »Aber ich glaube, mit dir stimmt ganz massiv was nicht.«
    »Ach, und wieso?«
    »Schon mal was vom Rorschachtest gehört? Diese Tintenklecksbilder, die man beim Psychologen vorgelegt bekommt?«
    »Klar.« Guy dreht sich auf die Seite, um sie anzusehen.
    »Okay, also der Test funktioniert so, dass die meisten Leute sich einen Farbklecks anschauen und darin, was weiß ich, ein Haus oder so was sehen. Aber dann gibt es da auch noch ein paar wenige, die denken, er würde wie ein … keine Ahnung … wie eine Spinne aussehen.«
    »Oder ein Hase.«
    »Genau! Und diese Leute sind unzurechnungsfähig.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Na ja, wenn du findest, dass diese Wolke wie ein Hase aussieht … Das ist kein gutes Zeichen.«
    »Zu denken, dass sie wie ein Schwan aussieht, ist vielleicht noch besorgniserregender«, kontert er und dreht sich gähnend wieder auf den Rücken. »Was ist das eigentlich für eine Hausarbeit, an der du jetzt gerade sitzen solltest?«
    »Oh bitte, erinnere mich nicht daran«, stöhnt Willow. Als sie heute Morgen beschlossen hatte, die Schule zu schwänzen, hatte sie wirklich fest vorgehabt, den Tag damit zu verbringen, noch einmal ihre Französischklausur durchzugehen oder mit dem Essay anzufangen. Sie hätte nie geglaubt, dass sie ihn stattdessen mit Guy im Park verbummeln würde. Nach dem Ruderausflug haben sie einen langen Spaziergang gemacht und jetzt liegen sie hier, beobachten die Wolken und reden albernes Zeug.
    Sie hat zwar ein schlechtes Gewissen, würde jetzt aber trotzdem um keinen Preis der Welt in ihrem Zimmer über den Büchern sitzen wollen.
    »Na los.« Guy stupst sie in die Seite. »Jetzt erzähl schon.«
    »Ich hinke in diesem Kurs, den ihr alle so toll findet – Müde Helden oder wie auch immer er heißt –, total hinterher.« Willow rupft seufzend ein paar Grashalme aus der Wiese. »Ich hab noch so viel zu lesen, dabei hätte ich schon längst mit diesem Essay anfangen sollen.« Sie klemmt einen Halm zwischen die Handballen und pustet dagegen. »Wieso funktioniert das denn nicht? Ich dachte, man kann auf den Dingern pfeifen.«
    Er lacht. » Müde Helden ? Das ist gut. Würde Andy bestimmt auch gefallen. Und ja, man kann auf Grashalmen pfeifen, aber ich war fünf, als ich das das letzte Mal gemacht hab, mich darfst du also nicht fragen.«
    »Wenn man einmal einen Pfadfinder braucht …« Willow lässt die Grashalme vom Wind fortwehen. »Jedenfalls muss ich einen Essay über Demeter und Persephone schreiben. Über Verlust und Wiedergutmachung, wie Persephone in die Unterwelt entführt wird und wie traurig Demeter darüber ist. Ich meine, darin müsste ich eigentlich Expertin sein, immerhin bin ich wahrscheinlich die Einzige in meiner Stufe, die mit so etwas Erfahrung hat, oder?« Sie schweigt einen

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