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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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komm.« Sie zieht ihn am Ärmel.
    »Bist du sicher?« Er sieht besorgt aus.
    »Nein, aber lass es uns trotzdem versuchen.« Sie muss beinahe schreien, um einen Donnerschlag zu übertönen. Mittlerweile regnet es in Strömen und das Museum ist ganz nah.
    »Okay.«
    Sie rennen so schnell sie können die Straße hinunter und stürmen die Stufen zum Museum hinauf.
    »Brrr – ich bin klatschnass!« Willow schüttelt sich, so dass kleine Wassertröpfchen in alle Richtungen stieben. Guy, der ebenfalls bis auf die Haut durchnässt ist, hat bereits eine kleine Wasserlache auf dem glänzenden Marmorboden hinterlassen.
    »Ich hab den Pulli dabei, den ich dir neulich im Park als Kopfkissen geliehen hab, den könnten wir als Handtuch benutzen«, schlägt er vor.
    »Oh ja, bitte.« Sie hat es kaum ausgesprochen, als sie auch schon den Pulli über dem Kopf hat und kräftig abgerubbelt wird. »Aua! Nicht so fest!«, ruft sie lachend.
    »Willst du denn nicht trocken werden?«
    »Doch, aber ich bin doch kein Hund!«
    »Also da wäre ich mir nicht so …«
    »Scht!«, zischt ein Aufseher tadelnd.
    Willow hört auf zu lachen – nicht so sehr wegen des Mannes, sondern weil ihr plötzlich wieder bewusst wird, wo sie eigentlich ist. Sie lässt langsam den Blick durch die große Eingangshalle wandern und lauscht dabei ängstlich in sich hinein. Wird es ihr hier genauso ergehen wie in der Buchhandlung?
    Aber sie spürt nichts von dem Schmerz, der sie dort überwältigt hat. Was vielleicht auch daran liegt, dass ihr das Museum im Gegensatz zum Antiquariat ganz anders vorkommt, als sie es in Erinnerung hat. Sie ist noch nie an einem Nachmittag unter der Woche hier gewesen. Es ist so gut wie nichts los. Am Wochenende drängen sich die Besucher, aber jetzt scheinen sie das Museum beinahe ganz für sich allein zu haben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie hin und wieder allein im Museum gewesen ist und diesen Ort nicht ausschließlich mit ihren Eltern verbindet.
    Oder es hat schlicht damit zu tun, dass sie nicht allein ist.
    »Also, was würdest du dir gern ansehen?«, fragt Guy, nachdem er sich selbst notdürftig abgetrocknet hat.
    »Ich schlage vor, dass wir uns das anschauen, was du gern sehen möchtest«, antwortet sie, während sie auf die Treppe zusteuern. »Und ich weiß auch schon genau, was das ist. Die Dinosaurier, stimmt’s?«
    »Volltreffer.«
    Sie schlendern durch die langen, hohen Gänge, vorbei an Ausstellungsräumen mit Schmuckstücken aus Jade und Stammesmasken, dem Hörsaal, in dem ihre Eltern damals den Vortrag gehalten haben, bis sie schließlich bei den Dinosauriern angekommen sind.
    »Die beiden mag ich am liebsten«, sagt er und führt sie zu zwei Skeletten, die dem Schild nach zur Gruppe der Ornithomimosaurier gehören. Guy lehnt sich über das rote Absperrseil, und einen kurzen Augenblick glaubt Willow, dass er einen von ihnen anfassen will.
    »Nicht berühren!«, warnt ihn ein gelangweilt aussehender Aufseher.
    »Hatte ich auch gar nicht vor«, brummt Guy leise. Er richtet sich wieder auf und dreht sich zu Willow um. »Ich bin auch schon oft am Wochenende hier gewesen, dann wimmelt es vor Kindern. Du müsstest mal sehen, wie die hier überall rumwuseln. Die würden am liebsten an den Dingern hochklettern! Ich glaube, den T-Rex finden sie am coolsten, nach dem sind sie regelrecht verrückt.« Er durchquert den Raum, um sich ein anderes Gerippe anzusehen.
    Willow muss unwillkürlich lächeln. Soweit sie es beurteilen kann, unterscheidet er sich, was seine Begeisterung für Dinosaurier angeht, in Nichts von seinen fünfjährigen Artgenossen.
    »Und wohin jetzt?« Guy reißt den Blick vom Modell eines rekonstruierten Kieferknochens los. »Welche Abteilung gefällt dir denn am besten? Warte, sag nichts, ich will von allein draufkommen. Hm … wahrscheinlich Edelsteine und Mineralien, oder? Ich meine jetzt nicht den Raum mit den ganzen Kronjuwelen und kunstvoll gearbeiteten Schmuckstücken, das ist dir zu protzig, sondern die Halbedelsteine, diese riesigen Amethyst- und Topasbrocken.«
    »Genau richtig getippt«, sagt Willow. Die wundervoll violett und golden schimmernden Kristalle gehören tatsächlich zu ihren liebsten Ausstellungsstücken. Es überrascht sie eigentlich nicht, dass Guy es erraten hat, nicht nach allem, was sie bereits gemeinsam erlebt haben, aber es macht sie ein bisschen nervös, dass er sie so leicht durchschaut. Sie spürt, wie die zwiespältigen Gefühle zurückkehren, die sie ihm gegenüber

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