Bis unter die Haut
Riesensauerei angerichtet hat und unfähig ist, auf seine Nichte aufzupassen. Aber wozu ist sie eigentlich überhaupt noch fähig?
Willow nimmt die rauchende Pfanne und lässt sie ins Spülbecken gleiten, wo es auf der Stelle zu zischen und zu brutzeln beginnt. Während sie zuschaut, wie der Rauch Richtung Decke steigt, kommt ihr zum ersten Mal in den Sinn, dass David vielleicht die Wahrheit gesagt hat, als er seine Vorbehalte, sie mit Isabelle allein zu lassen, damit erklärte, dass es im Moment noch zu viel für sie sei, sich um ein sechs Monate altes Baby zu kümmern. So wie es aussieht, muss sie ihm wohl recht geben.
Schnell bringt sie Isabelle in ihr Bettchen, nur raus aus der verqualmten Küche.
Es klingelt an der Tür. Sie kann nur hoffen, dass es nicht Cathy ist, die ihren Schlüssel nicht findet, oder schlimmer noch, dass David von der Konferenz zurück ist.
Gebt mir um Himmels willen wenigstens genügend Zeit, alles wieder sauber zu machen.
Als sie die Tür aufmacht, steht Guy vor ihr.
Dieses Mal wird sie weder rot noch nervös. Sie ist einfach nur froh, dass er es ist und nicht Cathy oder David.
»Kopfschmerzen, ja?« Er lehnt sich an den Türpfosten.
»Ähm, na ja, ich dachte, Beulenpest würde vielleicht zu unglaubwürdig klingen. Komm rein.« Sie macht einen Schritt zur Seite und lässt ihn eintreten.
»Riecht irgendwie verbrannt hier.«
»Was du nicht sagst«, stöhnt Willow und bedeutet ihm, ihr in die Küche zu folgen.
»Was ist denn passiert?«
»Ähm …« Sie blickt sich in der verrauchten Küche um. Ihr Vorhaben, sich perfekt um Isabelle zu kümmern, hätte nicht grandioser scheitern können. »Alles, was ich anfasse, geht schief – das ist passiert.« Sie nimmt einen Schwamm von der Spüle und beginnt die Pfanne damit zu schrubben. »Aber das ist ja nichts Neues, oder?«
»Ach, du hast doch nur …«, er stellt sich neben sie ans Spülbecken und schaut in die Pfanne, »… ein paar Eier anbrennen lassen. Kann doch jedem mal passieren.«
»Wenn es nur das wäre.« Verbissen versucht sie, die verbrannten Reste aus der Pfanne zu entfernen, was sich jedoch als ziemlich mühseliges Unterfangen erweist.
Schon bald wird ihr klar, dass es nicht nur mühsam, sondern fast unmöglich ist, und einen Moment lang hat sie gute Lust, die Pfanne einfach aus dem Fenster zu schmeißen. Stattdessen entscheidet sie sich dann doch für den Abfalleimer unter der Spüle. Vielleicht merken David und Cathy es gar nicht mal, wenn sie genügend anderen Müll darüberhäuft.
»Um noch mal auf deine Kopfschmerzen im Park zurückzukommen …«, fängt Guy an, wird aber vom Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssels unterbrochen.
»Hallo, ich bin zurück! Jemand zu Hause?«, ruft David.
Willow ist froh, dass der Rauch sich mittlerweile fast vollständig verzogen hat und sie die Pfanne rechtzeitig losgeworden ist, aber es wäre ihr trotzdem lieber, wenn er nicht sofort in die Küche käme. Sie holt Isabelle aus ihrem Bettchen und geht mit ihr in den Flur.
»Hi«, sagt sie vorsichtig. Es ist schließlich das erste Mal seit der Auseinandersetzung vor ein paar Tagen, dass sie ihn sieht. Sie hat keine Ahnung, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. Aber er wird sie ja wohl kaum vor Guy auf den Vorfall ansprechen.
»Hallo.« David nickt Guy zerstreut zu. »Was ist los? Wo ist Cathy?« Er streckt die Arme aus, um Willow Isabelle abzunehmen.
»Sie ist zur Apotheke«, antwortet Willow. »Isabelle hat eine Ohrenentzündung, aber Cathy meinte, dass es nichts wirklich Beunruhigendes ist.«
Sie ist froh, dass er den Streit von neulich Abend mit keinem Wort erwähnt. Doch während sie zusieht, wie er seine Tochter küsst, durchfährt sie plötzlich ein so heftiger Schmerz, dass sie sich krümmt.
Sie presst die Hände auf den Bauch und ist sich sicher, jeden Moment ohnmächtig zu werden. Der Schmerz ist so brutal, dass sie überrascht ist, kein Blut durch ihr Shirt sickern zu sehen, als sie an sich hinunterschaut – diesen Schmerz hat sie sich nicht selbst zugefügt. Es ist der Schmerz, den sie schon die ganze Zeit zu bekämpfen versucht.
Selbstverständlich gilt Davids erste Sorge seiner Tochter. Willow schmerzt nicht die Tatsache, dass sie bei ihm nicht an erster Stelle kommt, sondern dass sie bei niemandem jemals wieder an erster Stelle kommen wird. Sie wird nie wieder jemandes Kind sein.
»Willow?« David greift nach ihrem Arm, um sie zu stützen, was nicht ganz so einfach ist, weil er Isabelle
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