Bis unter die Haut
Schule tun …« Willow fängt an, ihre Sachen zusammenzupacken. Sie steht zögernd auf, als würde sie sich nichts mehr wünschen, als noch ein bisschen bleiben zu können, und lächelt die anderen bedauernd an. »Also dann … Wir sehen uns.«
Sie dreht sich um und verlässt in normalem Schritttempo den Park, dabei würde sie am liebsten so schnell sie kann davonrennen.
Das ist ja super gelaufen.
Die Verlegenheit und Nervosität, die ihr vorhin zugesetzt haben, sind nichts im Vergleich zu dem, wie sie sich jetzt fühlt. Sie denkt kurz daran, dem Bedürfnis nachzugeben und ihren Kopf gegen die Steinmauer zu rammen, die den Park umgibt. Das wäre doch mal eine nette Abwechslung zur Rasierklinge.
Sie möchte jetzt nur noch nach Hause und die letzten zwanzig Minuten aus ihrer Erinnerung löschen. Nach Hause gehen und …
Ob Guy ihr vielleicht hinterherkommt? Oder hat er schon mehr als genug von ihr?
Und wie soll sie reagieren, wenn er ihr tatsächlich folgt? Vielleicht ist ihr erstes Bauchgefühl richtig gewesen und in ihrem Leben ist nur Platz für eine einzige Beziehung.
Schade nur, dass sie diese Beziehung schon zu einem scharfen Stück Metall hat.
Hör auf, darüber nachzudenken! Zerbrich dir später den Kopf! Geh nach Hause! Schlag dein Französischbuch auf! Setz dich endlich an den Essay!
Den ganzen Nachhauseweg grübelt sie über den Zwischenfall nach, und jedes Mal, wenn sie sich halbwegs davon überzeugt hat, dass doch eigentlich gar nichts Schlimmes passiert ist, ist sie eine Sekunde später wieder absolut davon überzeugt, es total vermasselt zu haben.
Was denn eigentlich vermasselt?
Gibt es überhaupt etwas zu vermasseln?
Fast freut sie sich darauf, gleich an ihrem Schreibtisch zu sitzen und ihre Hausaufgaben zu machen. Vielleicht ist das jetzt genau die Ablenkung, die sie braucht. Aber als sie zu Hause ankommt und die Tür aufschließt, wird sie sofort von Isabelles durchdringendem Geschrei begrüßt. Cathy hält die Kleine auf dem Arm, während sie mit dem Telefon am Ohr unruhig hin und her tigert. Willow lässt die Schlüssel auf das Flurtischchen fallen und geht in die Küche.
»Cathy?«
»Oh, gut, dass du da bist«, ruft Cathy, um das Schreien zu übertönen. »Was?«, fragt sie ins Telefon. »Okay, danke. Ja, ich gehe gleich zur Apotheke.« Sie legt auf und dreht sich zu Willow um.
»Was ist los? Warum bist du zu Hause? Ist Isabelle krank?«
»Sie glüht, der arme Schatz.« Cathy drückt Isabelle einen Kuss auf die Stirn. »Die Kita hat mich auf der Arbeit angerufen, dass ich sie abholen soll. Es ist nur eine Ohrenentzündung, der Arzt meinte, ich soll mir keine Sorgen machen, das hohe Fieber sei ganz normal …« Offensichtlich versucht sie nicht nur Willow, sondern auch sich selbst zu beruhigen. »Ich muss zur Apotheke und die Medizin holen. Kannst du dich vielleicht so lange um sie kümmern?«
»Natürlich.« Willow nimmt Cathy Isabelle ab. »Kein Problem, wirklich«, sagt sie bestimmt. »Du kannst unbesorgt zur Apotheke gehen.«
»Vielen Dank.« Cathy zieht sich eine Jacke über und greift nach ihrer Tasche. »Ich weiß nicht genau, wie lange es dauert. Aber ich bin so schnell wie möglich wieder zurück.« Und schon stürmt sie zur Tür hinaus.
Willow stellt sich mit Isabelle auf dem Arm ans Fenster und sieht zu, wie Cathy die Straße hinuntereilt. »Tut mir leid, dass es dir so schlecht geht, Süße«, sagt sie und wiegt ihre Nichte auf der Hüfte hin und her. Aber Isabelle schnieft mittlerweile nur noch und scheint sich ein bisschen beruhigt zu haben. Willow muss daran denken, wie toll es wäre, wenn sie alles perfekt unter Kontrolle hätte, wenn Cathy zurück kommt – Isabelle selig schlummernd, die Küche blitzblank geputzt …
»Wäre das nicht super, Süße? Hm? Würde es dir dann nicht auch viel besser gehen?«
Aber vor allem geht es ihr darum, Cathy zu beweisen, dass es richtig war, ihr ihr Kind anzuvertrauen. Außerdem hofft sie, dass es vielleicht hilft, die Sache mit David wieder ins Reine zu bringen, wenn sie sich gut um Isabelle kümmert, wenn sie sich als perfekte Babysitterin erweist.
Und solange sie mit Isabelle beschäftigt ist, hat sie auch keine Zeit, darüber nachzudenken, was vorhin im Park passiert ist.
Obwohl sie nicht so recht weiß, wodurch sie sich als perfekte Babysitterin erweisen kann. Es gibt schließlich nicht viel, was man mit einem kranken Kleinkind machen könnte. Vielleicht sollte sie Isabelle zuallererst etwas zu essen geben und ihre
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