Bis wir uns wiedersehen (German Edition)
die Couch, die parallel zum Panoramafenster stand, öffnete eine Flasche Wein und dachte darüber nach, ob es richtig war, was sie gerade tat. Sie fand es verrückt, darüber auch noch nachdenken zu müssen. Immerhin hatte Jay sich in den vergangenen Monaten einige wirklich hässliche Dinge geleistet. Er hatte sie beschimpft und beleidigt, hatte kaum noch Interesse an ihr gezeigt und hatte sie schon einmal bessere Tage gesehenffat ganz offensichtlich mehrfach betrogen. Sie fragte sich, was er sonst noch tun musste, damit sie ihre Entscheidung nicht in Frage stellen würde. Einen klitzekleinen Augenblick dachte sie daran, die Sachen wieder auszupacken und so weiter zu machen, wie bisher, doch dann gestand sie sich ein, dass dies nur der Weg wäre, den Feiglinge beschreiten würden. Ihre Beziehung war gelaufen. Es war egal, was andere sagten. Es war egal, wer sie schief ansah, wenn sie erzählte, dass sie und Jay sich getrennt hatten, ganz einfach, weil es ohnehin niemanden etwas anging. Es war ihrer beider Leben. Und wenn Jay schon nicht die Kraft hatte, eine Entscheidung zu fällen, so musste Scarlett das für sie beide übernehmen.
Je weiter der Nachmittag voranschritt, je näher die Zeiger der Uhr der fünf kamen, dem Zeitpunkt, an dem Jay für gewöhnlich aus dem Büro kam, umso unruhiger wurde Scarlett. Sie hatte keine Ahnung, wie Jay reagieren würde, wenn er seine ganzen Sachen im Flur, verpackt in Kisten, vorfand.
Schließlich hörte sie, wie der Schlüssel im Türschloss gedreht wurde und Jay die Wohnung in gewohnt beschwingtem Gang betrat. Wieder blitzte einer dieser wehmütigen Gedanken in ihr auf - nämlich jener, dass dies vermutlich das letzte Mal war, dass Jay die Wohnung betrat.
"Ziehst du aus", fragte er, weniger aus Interesse, als aus Pflichtgefühl. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, warum gepackte Umzugskartons im Flur standen. Ohne eine Antwort abzuwarten, riss er den Kühlschrank in der Küche auf. Kurz darauf konnte Scarlett hören, wie die Lasche einer Red Bull Dose aufgezogen und die Kühlschranktür wieder zugeworfen wurde.
Jay kam ins Wohnzimmer, warf sich auf die Couch, die vor dem Fernseher und dem Wohnzimmertisch stand und merkte in diesem Augenblick, dass sein Laptop, der immer auf dem Tisch stand, nicht da war.
"Wo ist mein Laptop", rief er aufgebracht in Scarletts Richtung. Es war dieser eine Satz, und die Art, wie er ihn schrie, die ihr endgültig sagten, dass es richtig war, sich zu trennen. Jay hatte mit keinem Wort nach den Kartons gefragt und es noch nicht einmal der Mühe wert gefunden, Scarlett darauf anzusprechen, warum sie wortlos zum Fenster hinausschaute - oder aber, warum sie schon zu Hause war. Immerhin hätte es einer ihrer längeren Arbeitstage werden sollen. All diese Dinge registrierte er überhaupt nicht - doch dass sein Notebook nicht auf dem vorgesehenen Platz stand, entging ihm nicht.
"Bei deinen Sachen", sagte Scarlett und versuchte, die Aufregung, die sich in ihr breit machte, zu unterdrücken. Etwas in ihr fühlte sich an wie eine Bombe aus Tränen, Wut, Enttäuschung und Schmerz, die zu platzen drohte. Sie wollte die Trennung möglichst ruhig über die Bühne bringen, wollte nicht auf Jays Sticheleien einsteigen, obwohl sie in diesem Moment nichts lieber getan hätte, als ihn anzubrüllen.
"Was?" er sprang auf und wusste offenbar nicht, wohin er als erstes sollte.
Scarlett drehte sich zu ihm um und kämpfte irgendwie nun doch mit den Tränen. Sie erinnerte sich an den Tag, als er plötzlich vor ihrer Tür gestanden hatte und sie fragte, ob sie Lust hätte, was mit ihm zu unternehmen. Sie erinnerte sich an all die vielen Stunden, die sie so glücklich miteinander verbracht hatte und an diesen supernetten, witzigen Kerl, der Jay einmal gewesen war. Doch dieser Typ war schon lange verschwunden.
Sie atmete einmal tief durch und sagte dann: "Ich halte es für besser, wenn wir es beenden, Jay!"
Scarlett glaubte, in diesem Augenblick in Jays Augen wirklich Überraschung zu sehen. Eine echte Emotion, nachdem er sie seit Jahren nur am Rande wahr genommen hatte. Er hatte vermutlich gedacht, dass Scarlett es nie in Erwägung ziehen würde, Schluss zu machen. Vermutlich hatte er nie im Leben einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augenor s daran verschwendet, sich dieses Szenario durch den Kopf gehen zu lassen. Selbst, wenn er tausende Male daran gedacht hatte, dass ER sich von IHR trennen
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